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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter
Autoren: Hans G. Stelling
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sich nicht mehr auf den Beinen halten und fiel auf die Knie. Sogleich wollte er sich wieder aufrichten, da er die Gefahr kannte, er bot dabei seinem Gegner jedoch das ungeschützte Gesicht. Von Cronen schlug gnadenlos zu. Er war ein überraschend kräftiger Mann, und er wusste sich zu bewegen.
    »Der Fromme meidet das Arge«, sagte Bruder Albrecht salbungsvoll. »Und wer seinen Weg bewahrt, der behält sein Leben.«
    |13| Hinrik musste eine Reihe von Hieben einstecken, Schläge, die jeden anderen zu Boden gestreckt hätten. Seine jugendliche Kraft, seine Erfahrung und sein eiserner Wille ließen ihn diese gefährliche Situation überstehen.
    Als von Cronen bereits glaubte, ihn besiegt zu haben, kam Hinrik plötzlich auf die Beine, warf sich auf ihn und stürzte mit ihm zusammen durch eine offene Tür in den Schweinestall hinein. Der Ratsherr kam im Kot und Urin der Tiere zu liegen. Laut quiekend und schreiend stoben die Schweine auseinander.
    Hinrik packte den Ratsherrn an den Schultern, warf ihn herum und drückte ihn mit dem Gesicht in den Schweinemist. Während von Cronen schrie und stöhnte und verzweifelt mit den Beinen schlug, rief Hinrik: »Was regt Ihr Euch auf? Jetzt seid Ihr unter Euresgleichen!«
    Das war zu viel. Von Cronen brüllte wie am Spieß. Er wies die herbeieilenden Knechte an, ihm zu helfen. Kräftige Männerhände legten sich um Hinriks Arme und zogen ihn von dem Ratsherrn weg. Drei Männer hielten ihn fest. Einer legte ihm von hinten den Arm um den Hals, so dass er kaum noch atmen konnte, die anderen bogen ihm die Arme in den Rücken.
    Über und über mit Schlamm beschmiert stürzte sich von Cronen auf Hinrik und schlug mit beiden Fäusten auf ihn ein. Hinrik konnte sich nicht wehren. Er musste Hieb um Hieb einstecken, bis er kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Schwer atmend vor Erschöpfung ließ der Ratsherr die Fäuste sinken. Dabei richtete sich sein Blick auf einen mittelgroßen grauhaarigen Mann, der hinzugekommen war und nun breitbeinig, die Fäuste in die Hüften gestemmt, hinter dem Grafen stand. Auffordernd nickte er ihm zu.
    »Los«, befahl der Graf. »Er hat es gewagt, meine Gäste zu beleidigen. Er hat meinen Gast geschlagen. In meinem |14| Haus.« Seine Stimme wurde schrill und drohte sich zu überschlagen. »In meinem Haus! Das geht auch dich etwas an, mein Sohn!«
    Vergeblich versuchte Hinrik, sich aus dem Griff der Knechte zu lösen. Waldemar trat auf ihn zu. In seiner Situation konnte Hinrik nicht anders, als diesen Mann zu fürchten, der als wüster und unbeherrschter Schläger verrufen war. Eine schiefe Nase und ein verwachsenes Kinn zeugten davon, dass er eine Reihe von Wirtshausraufereien hinter sich hatte, bei denen er weder seine Gegner noch sich geschont hatte. Er war ganz anders als sein kleiner, gebrechlich wirkender Vater. Während dieser ein langes, schmales Gesicht mit hängenden Lidern, ein spitz wirkendes Kinn, dünne Arme und Beine sowie einen gekrümmten Rücken hatte, war das Äußere des Sohnes eher derb und ungeschlacht wie das eines Bauern. Böse Zungen behaupteten, er habe so wenig mit dem Grafen gemein, dass dieser unmöglich sein Vater sein könne.
    Waldemar schlug mit aller Kraft zu. Zuerst setzte er nur die rechte Faust ein, zielte immer wieder auf den Kopf des Ritters. Als Hinrik nahezu bewusstlos in den Armen der Knechte hing, schlug er auf den Oberkörper ein, bis Hinrik gänzlich schwach wurde und den Händen seiner Peiniger entglitt. Damit nicht genug. Während Waldemar zurücktrat und sich die schmerzenden Fäuste massierte, ergriff der Ratsherr einen Ochsenziemer, um Hinrik auszupeitschen. Die geflochtenen Lederriemen zerrissen ihm die Kleidung und verletzten die Haut, bis sie blutete.
    Als der Ratsherr das Gesicht des hilflos auf dem Boden Liegenden traktierte und einen breiten Striemen auf der Stirn hinterließ, griff endlich Bruder Albrecht ein.
    »Im Namen der Kirche – es reicht«, sagte er und stellte sich vor den Gepeinigten. »Wenn Ihr jetzt nicht aufhört, ist er tot. Hass erregt Hader, Liebe überdeckt alle Verfehlungen |15| . Auf den Lippen des Verständigen findet man Weisheit, die Rute aber gehört auf den Rücken des Narren.«
    »Worte Salomos. Wie wahr!« Schwer atmend ließ von Cronen den Ochsenziemer sinken. Die ungewohnte Anstrengung hatte ihn entkräftet, und er schien über den Einspruch des Geistlichen froh zu sein.
    »Der stolze Hinrik – er wird noch bereuen, was er getan hat«, keuchte er, während er sich
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