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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall
Autoren: Jeanine Krock
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lauten Musik auf sie aufmerksam und sahen neugierig herüber. Ein Streit zwischen diesen beiden Frauen verhieß Gesprächsstoff für die nächsten Tage.
    Hortense hatte die stille Kommunikation zwischen Vivianne und Cyron mit wachsender Wut beobachtet. «Ich weiß über dich Bescheid!» Sie sah aus, als wolle sie ihre Vorwürfe mit weiteren gefährlichen Andeutungen belegen, aber sie machte den Fehler, Beifall heischend aufzusehen. Ein Blick von Cyron genügte, um sie verstummen zu lassen. Still! , sein lautloser Befehl versiegelte ihre Gedanken. Die Betrunkene bekam einen Hustenanfall und rutschte halb vom Barhocker. Ihr derzeitiger Begleiter bewies genügend Verstand, legte seine Hand auf Hortense’ Schulter und führte sie ruhig, aber bestimmt zum Ausgang.
    War das notwendig? Vivianne tat die Sterbliche leid. Sie würde morgen das Gesprächsthema Nummer eins sein, aber anders, als sie es sich vielleicht vorgestellt hatte. Sie betrachtete die Menschen um sich herum mit Abscheu und verschloss sich den hämischen Worten, die sie ohne Weiteres hätte hören können, wäre ihr daran gelegen gewesen. Der fremde Gast war nicht mehr zu entdecken. Seltsamerweise verdross sie diese Feststellung. Er konnte ihr doch egal sein. Erstens war er schlecht gekleidet, und zweitens selbst ohne seine bemerkenswerte Ausstrahlung nicht der Typ Mann, den sie für einen Mitternachtsimbiss in ihr Bett locken würde. Und ohnehin hatte sie in letzter Zeit eine echte Pechsträhne, was Männer betraf. Nicht nur Nabrah machte sich darüber lustig. Cyron war es ebenfalls aufgefallen, er hielt es für einen Wink des Schicksals. Und alles nur, weil ihr dieses dumme Missgeschick passiert war? Die Geschichte mit dem uneinsichtigen Poeten lag Jahre zurück, und sie konnte schließlich nicht ahnen, dass er zu den wenigen Menschen gehörte, dessen Erinnerung sich nicht ohne Weiteres manipulieren ließ. Sie war einsam gewesen und hungrig. In einer solchen Situation dachte doch niemand daran, einen Mann erst einmal auf Herz und Nieren zu prüfen. Ihre Brüder waren da natürlich anderer Meinung gewesen. Aber zahlte sie nicht jeden Monat pünktlich für seine Unterbringung? Und dieser andere, wie hieß er noch gleich? Wie hätte sie wissen sollen, dass er einen Herzfehler hatte? Schließlich war alles gut gegangen, so einen kleinen Ausrutscher konnte ihr doch niemand ernsthaft übel nehmen.
    Im Krankenhaus hatte sich der Mann glücklicherweise an nichts mehr erinnern können. Cyron war damals eine große Hilfe gewesen, und sie betrachtete ihn seither als Freund, auch wenn sie ihm nicht all ihre Geheimnisse anvertrauen durfte.
    Die meisten ihrer sterblichen Bekannten hielten sie für eine exaltierte und viel zu erfolgreiche Modepuppe. Selbst Hortense hasste sie mittlerweile, was nach dem heutigen Zwischenfall auch der Letzte begriffen haben dürfte. Immerhin blieb Vivianne die schal schmeckende Genugtuung, dass sich die ehemalige Freundin selbst am stärksten damit schadete. Doch sie wusste auch, dass die Mitarbeiterinnen in Viviannes Agentur das hohe Gehalt, das sie ihnen zahlte, daran am meisten schätzten. Sowie das Prestige, das damit einherging, für eine der erfolgreichsten Modelagenturen Europas tätig zu sein. Warme Gefühle hegte keine von ihnen, dafür verlangte Vivianne viel zu viel Einsatz von ihnen. Sie galt als streng und unerbittlich, wenn es um geschäftliche Dinge ging. Was blieb ihr anderes übrig? Die Modewelt war ein Haifischbecken. Und die Affären, die sie sich in den letzten Jahren immer wieder geleistet hatte, endeten zwar normalerweise aus reinen Vernunftgründen, aber das war ja gerade ihr Problem: Liebe war niemals im Spiel gewesen. In der magischen Welt dagegen war jeder davon überzeugt, dass Vivianne nicht nur einem, sondern gleich zwei geborenen Vampiren gehörte, die sich ihre Liebesdienste bis vor Kurzem brüderlich geteilt hatten. Unter geschaffenen Vampiren, anders als bei ihren geborenen Verwandten, galt ein solcher Karrierestart nicht unbedingt als ehrenrührig. Die unendliche Existenz vieler Vampire hatte damit begonnen, für ein paar Jahrzehnte einem «Paten» zu dienen, bevor sie stark genug waren, für sich selbst zu sorgen. Ein Grund mehr für die Dunkelelfen auf sie herabzusehen. Obwohl all dies mit ihr abgesprochen und von ihrer Familie geschickt eingefädelt war, ärgerte sie manchmal die Verachtung, mit der ihre Artgenossen sie behandelten. Bei Viviannes vermeintlichen Liebhabern handelte es sich nämlich in
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