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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall
Autoren: Jeanine Krock
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Eigenschaft, erst zu handeln und später nachzufragen. Ich habe überlebt. Den beiden gehe ich seither trotzdem lieber aus dem Weg.
    Leider wird mir das heute nicht gelingen, denn es ist Beltane und die Feenfrauen der Familie geben ein großes Fest. Ich wollte mich drücken, aber Vivianne hat darauf bestanden, dass ich mitkomme. Sie setzt ihren Dickkopf meistens durch, und seit ich ihre Sippe näher kennengelernt habe, beginne ich zu zweifeln, ob das jemals anders sein wird. Aber es gibt ein paar Situationen, in denen tut sie recht gerne, was ich möchte.
    Wann? Ein Gentleman genießt und schweigt. Aufzuzählen, was ich alles an ihr liebe, würde ein ganzes Buch füllen, ihr Wunsch nach Unabhängigkeit gehört jedenfalls ebenso dazu wie ihre Loyalität. Letztere hat allerdings auch ihre Schattenseiten. Meine Prinzessin hängt nämlich sehr an ihrer Familie. Deshalb wäre es ihr auch schwer gefallen, lange auf Cyron sauer zu sein. Er ist gewiss der manipulativste Elf, der mir jemals untergekommen ist, aber erstens ist er ihr Onkel und zweitens zählt am Ende der Nacht nur das Ergebnis. Und auf meine Prinzessin möchte ich nie mehr verzichten.
    Vorhin habe ich Cyron hier irgendwo gesehen. Ihm hat die Familie seine Einmischung in unser Leben nämlich sofort vergeben, so froh waren alle, dass er überhaupt noch lebte. Sieht so aus, als sei der Job eines Barkeepers tatsächlich eine brauchbare Tarnung gewesen. Inzwischen hat er den Beruf gewechselt und ist in Berlins Villenviertel ein gefragter Mann, der Tag für Tag irgendwelche Parkanlagen neu gestaltet. Vivianne hat er eine begrünte Dachterrasse für das Loft versprochen. Sie freut sich schon darauf, im Sommer dort oben zu sitzen und in die Sterne zu gucken. Was soll ich machen, dann wird das Ding eben bepflanzt.
    Bevor er wieder in irgendeinem Beet verschwand, hat sich Cyron übrigens nach Sebastian erkundigt. Und ich habe ihm von unserer Aussprache erzählt. Schließlich waren wir einmal die besten Freunde. Sebastian hat zugegeben, dass er die Diebin in Viviannes Wohnung getötet hat. Sie sei eine ergebene Mitarbeiterin gewesen, der er rückhaltlos vertraut, ja sie sogar in die Geheimnisse unserer Magie eingeweiht hatte, bis sie ihn nach dem Diebstahl zu hintergehen versuchte. Wäre er nicht gestört worden, hätten wir sie niemals entdeckt. Keine Ahnung, warum Salai gelogen hatte. Vielleicht aus Angst, aber das ist ja nun auch egal. Sebastian muss Edna wirklich geliebt haben. Doch was er ihr angetan hat, kann ich ihm nicht so einfach vergeben.
    Der Statthalter und Carl sind von der Bildfläche verschwunden. Eigentlich war ich nicht überrascht, als der Rat Sebastian zum Nachfolger ernannte. Er war schon immer ehrgeizig und den hässlichen Milovan konnte er noch nie leiden. Das erklärt wohl auch, warum er Vivianne damals ein Alibi gegeben hat.
    Ah, da kommt ja meine Mai-Prinzessin. Eine fantastische Sache, dass ich sie immer und überall spüren kann – sofern sie das möchte, natürlich.
Wie sollte es auch anders sein?
    Morgan schmunzelte, als er an seine selbstbewusste Gefährtin dachte.
    Vivianne hatte ihn noch nicht erreicht, da legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter. Asher blickte finster auf Morgans Füße und hob zu einem seiner üblichen Vorwürfe an. Er war ziemlich konservativ und schien zu glauben, eine Frau müsse man immer und überall im Auge behalten. «Warum kümmerst du dich nicht um Vivianne, wo ist sie überhaupt?»
    Bevor Morgan etwas entgegnen konnte, das zweifellos zu einer weiteren Auseinandersetzung geführt hätte, baute sich Vivianne vor ihrem furchterregenden Bruder auf und stemmte die Hände in die Taille. «Suchst du schon wieder Streit?» Sie legte ihren Kopf schräg und ein freches Lächeln erschien auf ihren Lippen. «Kümmere dich lieber um Estelle, ich glaube, ich habe sie gerade mit diesem entzückenden Mann flirten sehen, wie war doch gleich sein Name, Julen?»
    Mit einem Fluch verschwand Asher.
    «Riecht es hier etwa nach Schwefel?» Vivianne kicherte und griff nach Morgans Hand. «Komm, ich verspüre ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Zweisamkeit.»
    Morgan folgte ihr erwartungsvoll weiter in den Park hinein. Es war so süß, wie sie ihn zielstrebig hinter sich herzog, als dulde sie keinen Widerspruch. Unter den lang herabhängenden Zweigen einer Trauerweide blieb sie stehen und schnell begriff er, dass es keineswegs nur ein paar Küsse waren, die sie im Sinn hatte. Offenbar wollte sie das Maifest traditionell
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