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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall
Autoren: Jeanine Krock
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die Kämpfenden, bis ihre Bewegungen immer langsamer wurden. Du hast einen ausgeprägten Sinn für Dramatik, mein Herz , mahnte eine Stimme in ihrem Kopf. Beim nächsten Mal rufst du mich bitte etwas früher. Und dann stand Cyron neben den miteinander ringenden Vampiren. Das Messer entglitt Ednas Hand und zerbrach am Boden, als wäre es aus Glas. Sie machte einen Salto rückwärts, schnellte herum und rannte davon. Sebastian erstarrte unter der Berührung des Elfs und fiel auf die Knie. Morgan tat es ihm erschöpft nach.
    Endlich gehorchten ihr ihre Füße wieder, Vivianne stieg langsam, um nicht auf der spiegelglatten Fläche auszurutschen, die restlichen Stufen hinab und watete durch knöcheltiefen Eismatsch aus Hagel und Wasser. Cyron reichte ihr seine Hand und zog sie auf die vereiste Bühnenfläche. Sie wollte zu Morgan eilen, doch der Elf hielt sie zurück.
    «Was glaubt ihr eigentlich, was ihr hier tut?», herrschte er die Vampire an. «Soll alle Welt auf euch aufmerksam werden?» Mit einer Handbewegung ließ er das tosende Gewitter verstummen. Sofort normalisierten sich die Temperaturen und das Eis schmolz. «Rede!» Von dem arroganten Dunkelelf war nun nicht mehr viel zu sehen, als Sebastian immer noch kniend, zwar mit monotoner Stimme, aber so als säßen sie um ein gemütliches Feuer, zu erzählen begann:
    «Erlaubt, dass ich ein wenig aushole. Ich wurde Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in England geboren. Als Erbe einer sterblichen Ziehfamilie besaß ich nach der Transformation nicht nur einen anerkannten Namen, ich konnte mir darüber hinaus von Anfang an ein luxuriöses Leben erlauben. Nach einigen Jahren mehr oder weniger interessanter Trainingsstunden, die ich auf dem Land unter der Aufsicht meiner leiblichen Eltern erhielt, durfte ich endlich und zum ersten Mal unser Haus in London beziehen. Die Sterblichen nahmen mich mit offenen Armen auf. Vermutlich hofften sie, ich würde eine ihrer faden Töchter favorisieren. Dank meiner wahren Herkunft fand ich ebenso rasch Zugang zu unserer vampirischen Gemeinde, die damals eine der größten der Welt war. Aber jeder wusste, dass gleichzeitig ein neuer Vampir unbekannter Herkunft in die Stadt gekommen war, der im Gegensatz zu mir keine Regeln zu respektieren schien. Man munkelte, Morgan habe sich beim Statthalter vorgestellt, wie es sich gehörte. Doch fast alle behaupteten, dies sei nur einem Zufall zu verdanken gewesen oder der Tatsache, dass dieser ein großes Herz für Streuner besaß. Grund dafür war, dass Morgan anfangs kein Geheimnis aus seiner Blutlust machte. Ganz offensichtlich gab es keinen Paten, der ihm ein paar Manieren beigebracht hatte. Und dann begann er, die Reichen auszurauben und große Teile seiner Beute unter den Armen der Stadt zu verteilen. Ein bisschen wie Robin Hood.» Sebastian lachte bitter. «Ich war jung und sehr beeindruckt. Die anderen reagierten amüsiert und ließen ihn gewähren, bis er den Fehler beging, seine hübsche Spionin in meinem Haus zu etablieren. Ein geschaffener Vampir, der plante einen Dunkelelf zu bestehlen, das war ein Affront und – mit Verlaub – eine unglaubliche Dummheit obendrein. Ich bekam den Auftrag, beiden das Handwerk zu legen. Natürlich hätte ich das Mädchen einfach töten können. Aber das ist unsportlich, nicht wahr?»
    Sebastian sah aus, als würde er gern aufstehen, anstatt zu Cyron und Vivianne aufblicken zu müssen, aber der Elf machte eine ungeduldige Handbewegung. «Weiter.»
    «Schon gut. Wie auch immer, ich wollte ihnen eine Chance geben. Ich fand heraus, dass die Komplizin seine Schwester und nicht seine Geliebte war, wie ich anfangs geglaubt hatte. Irgendwann erwischte ich sie mit den Fingern tief in meiner Geldbörse. An diesem Abend hätte ich sie umbringen sollen, stattdessen ging ich mit ihr ins Bett. Ich Narr, ich habe mir eingebildet, alles im Griff zu haben, und als ich merkte, dass ich mich in sie verliebt hatte, war es zu spät. Das Frauenzimmer war nicht dumm und erkannte Parallelen im Verhalten ihres Bruders und meinem. Eines Tages sagte sie mir auf den Kopf zu, ich sei ein Vampir. Würde ich sie nicht beißen, dann, so drohte sie, erführe ganz London, wenn nicht die ganze Welt, von unserer Existenz.» Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. «Ich brachte es nicht fertig, ihr etwas anzutun. Außerdem war ich sicher, wenn ihr Bruder die Transformation überlebt hatte – und er kam damals schon bemerkenswert gut mit seiner Situation zurecht –, dann
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