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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier
Autoren: Alfred Weidenmann
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und manche zuwenig. Peter benutzte die Pause, um auf dem Spielfeld mit einem Besen die weißen Linien wieder freizulegen. Aber manche Menschen sind auch krank, und andere sind gesund. Herr Schimmelpfennig junior blieb einen Augenblick stehen und guckte in das Licht der Neonlampen. Dabei wurde ihm klar, daß er das
    Problem, das sich da plötzlich von zwei verschiedenen Seiten zeigte, im Augenblick nicht lösen konnte. Und dann mußte er von einer Sekunde zur anderen daran denken, daß die Untertertia morgen in der ersten Stunde Schwimmen hatte.
    Zugegeben, seit dem Gespräch mit dem Sheriff im Schulhof geisterte diese Schwimmstunde durch Peter Schimmelpfennigs Unterbewußtsein. Aber sie war nie an die Oberfläche gekommen. Er hatte jeden klaren Gedanken an den morgigen Tag einfach unterdrückt. Aber jetzt war er plötzlich da. Mit Erdölquellen mußte es sich ähnlich verhalten. Irgendwie sind sie auch schon immer vorhanden. Aber erst, wenn sie eines Tages plötzlich die Erde aufreißen, sind sie weithin sichtbar.
    Peter sah die grüngekachelte Schwimmhalle am Hansaplatz so klar vor sich wie da drüben die Ziffern auf der Uhr, die über der Tür hing. Ob er sich nicht doch über Nacht noch schnell eine Erkältung zulegen sollte?
    Glücklicherweise wirbelte in diesem Augenblick Herr Dr. Liesegang durch die Tür. Er hatte sich, wie immer, verspätet und war schon zu hören, bevor er richtig zu sehen war.
    „Ein Betrieb ist das, du kriegst die Motten! Entschuldigung, meine Herrschaften, aber mein Büro ist eine Irrenanstalt! Und jetzt bin ich auch noch außer Gefecht gesetzt. Halten Sie doch mal eine Sekunde!“ Dr. Liesegangs Brille hatte sich beschlagen, und da er in der einen Hand eine Tasche trug und mit der anderen gleich drei Tennisschläger, hatte er keine Chance, an sein Taschentuch zu kommen.
    „Guten Tag, Herr Doktor“, grüßte Trainer Pohmann und befreite ihn von seinen Utensilien.
    „Wie gesagt, ein Irrenhaus.“ Herr Alexander Liesegang bearbeitete seine dunkle Hornbrille und knöpfte sich aus einem Kamelhaarmantel, der mit Pelz gefüttert war. „Ich sagte: ,Kein Telefonat mehr’ und hatte schon die Türklinke in der Hand, da gibt mir doch die Ziege von Sekretärin noch ein Gespräch aus Paris. Es sei ungeheuer wichtig!“ Dr. Liesegang war Chefredakteur beim abendblatt. Er trug über seinen weißen Tennissachen einen Trainingsanzug. aus dem er gerade herauskletterte. „Aber Pustekuchen! Von wegen wichtig! So ein Würstchen aus der Sportredaktion sitzt in Paris auf dem trockenen und wollte Vorschuß! Seine Brieftasche sei ihm geklaut worden. Da lachen ja die Hühner! Ganz abgesehen davon ist Sport gar nicht meine Abteilung.“ Herr Dr. Liesegang wählte einen von seinen drei Schlägern, machte schnell drei Kniebeugen und meinte dann: „Also — los geht’s!“
    „Aber ganz mit der Ruhe, Doktor“, mahnte Herr Pohmann. „Und jetzt schön das Büro vergessen und das ganze ABENDBLATT!“
    Die ersten Bälle sausten über die Grundlinie.
    „Zu gut gefrühstückt!“ stellte Herr Pohmann fest.
    „Also mal mit der sanften Tour“, kündigte Dr. Liesegang an. Mit dem Erfolg, daß die Bälle jetzt ins Netz schwirrten.
    „Ach, da ist ja auch unser Schimmelfritze. Hatte dich gar nicht bemerkt.“
    „Schönen guten Tag, Herr Doktor“, grüßte Peter Schimmelpfennig und warf Herrn Liesegang zwei Bälle zu. Die übrigen bekam der Trainer.
    Nach einer Viertelstunde hatte sich der Chefredakteur des Abendblattes einigermaßen eingespielt. Hin und wieder gelangen ihm sogar ein paar ganz gute Bälle. Und es war erstaunlich, wie er bei seinem Gewicht von einer Ecke in die andere wieselte, wenn es nötig war. Manchmal bekam er den Ball dann allerdings nur noch dadurch, daß er mit seinem Schläger wie mit einer Schaufel hantierte.
    „Nicht gerade Spitzenklasse“, zensierte Herr Pohmann. „Aber Hauptsache, der Ball kommt rüber. Am Ende ist es egal, wie.“
    Die Stunden mit Herrn Liesegang machten eigentlich immer am meisten Spaß und vergingen wie im Flug. Er nahm sein Spiel nicht so tierisch ernst und wollte sich im Grunde ja nur bewegen. Als er bereits mit vier zu null im Rückstand war, gab er bekannt, daß das trotz allem „sein“ Satz sei. Wenn er zwischendurch zu seinem Handtuch wollte, um sich den Schweiß abzuwischen, entschuldigte er sich: „Ich muß mit meinen Trainern sprechen.“
    „Was haben die Herren gesagt?“ wollte Herr Pohmann wissen.
    „Sie werden es gleich merken“. Und
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