Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
,Glocke’ aufsagen“, meinte Dr. Liesegang. „Nein, Spaß beiseite, es ist zum Auswachsen, und unsere Direktion würde sich das eine ganz nette Stange Geld kosten lassen, wenn man gerade in diesen Wochen um Weihnachten und Neujahr irgendeinen dicken Fisch an Land ziehen könnte. Ich knoble mit meiner Redaktion Tag und Nacht.“ Dr. Liesegang nahm das Gas weg und trat auf die Bremse. „Im Hochsommer ist’s übrigens genauso trostlos.“
    „Schönen Dank, Herr Doktor“, sagte Peter Schimmelpfennig, als er ausstieg und sich verabschiedete. „Ich wünsche Ihnen zu Weihnachten endlich einen schönen Raubmord oder einen Bankeinbruch!“
    „Danke.“ Dr. Liesegang lachte und fuhr los. Aber schon nach dreißig Metern hielt er wieder an und winkte. Ein grauer Mercedes, der dadurch plötzlich eingekeilt war, hupte unablässig.
    „Haben Sie was vergessen?“ fragte Peter Schimmelpfennig und steckte seinen Kopf durchs Wagenfenster.
    „Daß morgen Weihnachten ist, hab’ ich vergessen, ich Knallkopf.“ Dr. Liesegang hatte einen Zehnmarkschein aus seiner Brieftasche geholt. „Schönes Fest, Schimmelfritze, und grüße unbekannterweise deine Mutter!“
    Der graue Mercedes hupte pausenlos weiter.
    Dr. Liesegang drehte sich in seinem Wagen um, lächelte freundlich durchs Rückfenster und sagte irgend etwas dabei. Gleichzeitig zog er höflich seinen Hut. Und dann fuhr er sehr langsam und vorsichtig weiter.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde

    „Irgendwie gefällst du mir heute nicht“, stellte Frau Schimmelpfennig fest.
    „Ich gefalle mir heute selber nicht“, gab Peter zu und grinste ein wenig verlegen.
    Die beiden saßen in der Küche der Schimmelpfennigschen Wohnung beim Frühstück.
    „Noch eine Schnitte“, schlug die Mutter vor.
    „Nein, danke“, wehrte der Junge ab. „Wer ins Wasser geht, soll den Bauch nicht voll haben.“
    „Das hört sich ja so an, als mache dir das Schwimmen plötzlich keinen Spaß mehr!“
    „Schwimmen schon“, meinte Peter und starrte ein Loch in die Küchenwand.
    „So, und jetzt muß ich los“, gab Frau Schimmelpfennig bekannt. Eigentlich hatte sie ja zu Hause bleiben wollen, um in aller Ruhe den Abend vorzubereiten. Aber gerade heute, am letzten Tag vor Weihnachten, waren alle Flüge ausgebucht und dazu noch Sondermaschinen eingesetzt. Da konnte Frau Schimmelpfennig nicht einfach zu Hause bleiben, weil es ihr wichtiger war, in Ruhe den Christbaum aufzustellen, als ein paar Flugzeuge sauberzumachen.
    „Aber ich hab’ gesagt, daß um fünf Uhr bei mir der Bart ab ist“, stellte Mutter Schimmelpfennig fest und zog sich ihren Mantel an.
    „Das heißt, daß du mit der Bahn um 17 Uhr 42 kommst?“ fragte Peter.
    „Das ist so sicher wie die Steuer!“
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, gnädige Frau, erlaube ich mir, Sie am Bahnhof abzuholen.“ Peter klemmte sich seine Mappe und das Badezeug unter den Arm.
    „Das wäre sehr freundlich“, gab Frau Schimmelpfennig zu. „Man hört in letzter Zeit immer häufiger, daß junge hübsche Mädchen nach Einbruch der Dunkelheit auf der Straße nicht mehr sicher sind.“
    Vor der Steinfeldstraße 84 trennten sich Mutter und Sohn. Es hatte in der Nacht aufgehört zu schneien. Dafür war es recht kalt geworden.
    Peter Schimmelpfennig wünschte sich jetzt von Herzen, die Stunde in der Schwimmhalle am Hansaplatz wäre schon vorbei.
    Leider fing diese Stunde aber erst an.
    Das Stadtbad am Hansaplatz war die modernste Badeanstalt in der Stadt. Eine Längsseite der riesigen Schwimmhalle hatte eine durchgehende Wand aus klarem Glas. Auch wenn man drinnen war, hatte man deshalb immer so ein wenig das Gefühl, im Freien zu sein. Man sah die schneebedeckten Dächer und Straßen, die vorbeifahrenden Autos und drüben einen Schutzpolizisten mit Ohrenwärmern und Filzstiefeln. Und wer draußen gerade durch den Schnee stapfte oder in der Straßenbahn vorbeifuhr, konnte hinter dem Glas einen Badebetrieb sehen wie im Hochsommer.
    Die Untertertia der Eberhard-Ludwig-Schule mußte sich bei ihren wöchentlichen Schwimmstunden die Halle mit der Parallelklasse vom Maximilianeum teilen. Das war eine Schule im selben Stadtbezirk. Der Turnlehrer der Eberhard-Ludwig-Schule war Herr Schubert, der des Maximilianeums Herr Wiesenbügel.
    Die Kollegen Schubert und Wiesenbügel verstanden sich blendend. Die beiden Schulklassen verstanden sich weniger gut. Das lag aber mehr an den Untertertianern vom Maximilianeum, die sich einbildeten, irgend etwas Besonderes zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher