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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier
Autoren: Alfred Weidenmann
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herum wie explodierende Knallfrösche. Der Sheriff hatte nämlich gleich beim ersten Mal mehr Glück gehabt.
    Der Vertrauensschüler Bertelsmann zog sich wieder zurück.
    „Also, bitte!“ Herr Wiesenbügel machte eine einladende Handbewegung in Richtung auf seine Tertia.
    Der Sheriff trat auf die Jungen vom Maximilianeum zu. Die standen jetzt in ihren Badehosen mit verschränkten oder auf den Rücken gelegten Armen, rührten sich nicht und guckten in die Gegend wie die Unschuld persönlich.
    Beim Feststellen der Anwesenheit hatte es sich nämlich vorhin gezeigt, daß die Untertertia der Eberhard-Ludwig-Schule neunundzwanzig Schüler hatte, die des Maximilia-neums aber dreißig. Hätte nun der Vertrauensschüler vom Maximilianeum die Wette gewonnen, hätte er selbst bestimmen dürfen, welcher von seinen Untertertianern ausscheiden mußte. Und sicher wäre es ein Junge gewesen, dem er den Sprung vom Zehnmeterturm am wenigsten zutraute.
    Aber nun hatte der Sheriff gewonnen, und er durfte bestimmen, welcher Schüler nicht dabeisein sollte.
    Der Untertertianer Schlotterbeck machte die Sache natürlich ein wenig spannend. Er schaute sich die Jungen vom Maximilianeum der Reihe nach an und hielt den Kopf schief dabei. So mußten sich vor Jahrtausenden die alten Römer auf dem Markt ihre Sklaven ausgesucht haben.
    Ein Junge mit einer Hornbrille machte ganz große Augen. Er hatte eine giftgrüne Badehose an und war ein wenig dicker als der Durchschnitt. Er hätte dem Sheriff bestimmt sein Taschengeld vom nächsten Monat angeboten, wenn er ihn ausgewählt hätte. Aber der Sheriff bestimmte natürlich einen anderen.
    „Wenn ich höflich bitten darf“, sagte er nach einer Weile und zeigte auf einen Jungen, der so aussah, als sei er schon siebzehn und öfter sitzengeblieben. Der vom Sheriff ausgesuchte Schüler brummte einiges vor sich hin, das nicht für die Ohren von Damen aus dem Kirchenchor bestimmt war. Aber er ging zur Seite und setzte sich auf eine Bank bei den Bademeistern.
    Als erster sprang der Sheriff. Natürlich machte er aus seinem Sprung eine kunstvolle Darbietung. Er breitete zuerst weit die Arme aus, zog dann plötzlich die Beine an und schlug einen Salto, bevor er ins Wasser tauchte.
    Die Bademeister applaudierten.
    Auch bei den anderen sprang der Vertrauensschüler zuerst. Und er versuchte natürlich, den Sheriff zu übertreffen. Deshalb nahm er sich nach seinem Absprung erst gar nicht die Zeit zum Armeausbreiten. Er fing gleich an, sich so schnell wie möglich zu drehen, um einen doppelten Salto zu erreichen. Aber bevor er die zweite Umdrehung ganz geschafft hatte, war er schon im Wasser.
    Trotzdem klatschten die Bademeister auch diesmal.
    Die meisten Untertertianer, sei es von hüben oder drüben, die jetzt nacheinander zum Zehnmeterbrett hinaufkletterten, wollten den unvermeidlichen Sprung so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sie ließen sich also mehr oder weniger nur fallen, wenn sie das Ende des Sprungbrettes erreicht hatten. Dabei nahmen sie die Beine zusammen und legten die Hände an die Hosennaht, die im Augenblick allerdings gar nicht vorhanden war.
    Nur Matthias Kiekebusch machte noch einmal eine Ausnahme. Er sprang mit einem solchen Schwung ab, daß das Brett noch eine ganze Weile nachfederte. Als er den höchsten Punkt erreicht hatte, knickte er seitlich in der Hüfte und wollte senkrecht ins Wasser schießen. Leider kippte er dabei auf die Vorderseite. Als er aus dem Bassin kletterte, hatte er einen krebsroten Bauch, aber er grinste vergnügt.
    „Gänseblümchen gehen ein, wenn man sie mit konzentrierter Salzsäure begießt“, stellte er fest und schüttelte sich das Wasser aus den Ohren. Zu diesem Zweck tanzte er von einem Bein aufs andere.
    Natürlich gab es auch eine ganze Reihe von Untertertianern, die zum ersten Mal aus dieser Höhe sprangen und denen diese Leistung gar nicht so leichtfiel, wie es von unten vielleicht aussah. Manche überlegten sich den Sprung auch eine Weile, weil sie plötzlich feststellten, daß zehn Meter von oben ganz anders aussehen als von unten. Aber dann fingen die Klassenkameraden an, sich bemerkbarzu machen, und riefen geschlossen, wie auf einer Ruderregatta, den Namen des betreffenden Schülers. Oder sie pfiffen durch die Finger.
    Am Ende hing alles von zwei Untertertianern ab.
    Peter Schimmelpfennig war der letzte Springer der Eber-hard-Ludwig-Schule. Und für das Maximilianeum kletterte jetzt jener dickliche Junge mit der giftgrünen Badehose und der
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