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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod
Autoren: Boris Meyn
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Leitung der Kriminalpolizei übernahm, zuerst kommissarisch bis zum offiziellen Dienstbeginn im Januar 1893, Dr.   Gustav Roscher (1852   –   1915). Roscher war ausgebildeter Jurist und hatte zuvor am Landgericht gearbeitet, wo er zum Vertreter des Oberstaatsanwalts aufgestiegen war. Bevor das bisherige Konstablerkorps unter Roscher zur militärisch ausgerichteten Schutzmannschaft umstrukturiert wurde, leitete Polizeisekretär Dr.   Ernst Paul Heinrich Hartmann (1861   –   1939) die Hamburger Kriminalpolizei.
    Ihren Sitz hatte die Hamburger Polizeiverwaltung an der Stadthausbrücke/​Ecke Neuer Wall. Das dortige Verwaltungsgebäude ist noch heute in Rudimenten erhalten und wird von der Hamburger Baubehörde genutzt. Den Entwurf des ehemals prächtigen Neorenaissancegebäudes hatte Baudirektor Carl Johann Christian Zimmermann (1831   –   1911) geliefert. Zimmermann war von 1872 bis 1908   Leiter des Hochbauamtes der Hamburger Baudeputation und damit verantwortlich für den Großteil der öffentlichen Gebäude in der Stadt. Neben den Gerichtsbauten am Justizforum, dem Museum für Kunst und Gewerbe am Steintorplatz sowie dem Zentralgefängnis in Fuhlsbüttel und vielen anderen Verwaltungsbauten waren es vor allem die im letzten Viertel des 19.   Jahrhunderts in allen Stadtteilen errichteten Volksschulhäuser,die unter seiner Gestalt gebenden Regie entstanden.
    Der Zusammenschluss der Kriminalpolizei mit der Politischen Polizei, der mit dem Gesetz von 1892 vollzogen wurde, findet in der jüngeren Geschichte der Stadt seine grausame Fortsetzung. Es ist kein Zufall, dass die Gestapo von 1933 bis 1943 ihren Sitz ebenfalls im Gebäude an der Stadthausbrücke hatte. An diesem Ort wurde gefoltert und gemordet. Im ausgehenden 19.   Jahrhundert war die Verbindung von Kriminalpolizei und Politischer Partei in erster Linie die Antwort auf die Bedrohung von links gewesen, welche die bürgerlichen Schichten empfunden hatten. Einerseits verdächtigte man die Sozialdemokraten, in der Arbeiterschaft Unruhe zu schüren und damit die Unternehmergewinne zu gefährden, andererseits fühlte man sich in seiner Autorität durch die Forderungen der unteren Volksklassen nach politischer Partizipation bedroht. Denn inzwischen waren alle drei Hamburg zustehenden Reichstagssitze mit Sozialdemokraten besetzt, die in der Stadt selbst aber nach wie vor kein politisches Mitspracherecht hatten.
    Auch nach Aufhebung der Sozialistengesetze gab es kein offizielles Gremium in der Stadt, in dem sozialdemokratisch geprägte Politik möglich gewesen wäre. Die führenden Sozialdemokraten August Bebel (1840   –   1913), Carl Legien (1861   –   1920), Friedrich Wilhelm Metzger (1848   –   1904), der Schleswig-Holsteiner Karl Frohme (1850   –   1933) sowie der spätere Bürgermeister Johannes Ernst Otto Stolten (1853   –   1928) fanden ihre politische Bühne in Hamburg vor allem in den Räumlichkeiten des Druckhauses Auer & Co. Die von Johann Heinrich Wilhelm Dietz (1843   –   1922) geführte Druckerei wurde damit nicht nur aufgrund der hier gedruckten sozialdemokratischenPresse, sondern auch räumlich zum Treffpunkt der organisierten Arbeiterschaft und damit zur Keimzelle der Hamburger Streikbewegung. Grund zum Streik gab es allemal. Ein Hafenarbeiter musste 1892 mit einem Jahreslohn von etwa 900   Mark auskommen. Nicht der niedrige Lohn an sich wurde dabei als Hauptübel angesehen, sondern vor allem die Tatsache, dass man bei der Arbeitsvermittlung von Hafenkneipen und korrupten Wirten abhängig war. Trotz aller Bestrebungen in jenen Jahren wurden ordentliche Lohnbüros erst im Jahre 1897 eingeführt.
    Zu den Teilnehmern der anfangs konspirativen Treffen bei Auer & Co. gehörte auch eine bescheidene Anzahl von Musikern aus dem Orchester der Hamburger Oper. Der damalige Direktor, Bernhard Pollini (1838   –   1897), hatte 1891   Gustav Mahler (1860   –   1911) als Dirigenten des Orchesters verpflichtet. Während seiner Hamburger Jahre komponierte Mahler unter anderem seine 2. und 3.   Sinfonie, aber seine Werke trafen beim konservativen Hamburger Publikum eher auf Unverständnis.
    Auch mit der zeitgenössischen Malerei tat sich das Hamburger Publikum zunächst schwer. Vor allem dem kunsterzieherischen Wirken des Direktors der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark (1852   –   1914), ist es zu verdanken, dass das Verständnis für Kunst und Malerei in immer größeren Kreisen der Bevölkerung Fuß fassen
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