Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod
Autoren: Boris Meyn
Vom Netzwerk:
etwas erreichen können?»
    «Ich hatte heute Mittag ein ausführliches Gespräch mit Senator Versmann – unter vier Augen. Wie es aussieht, wird man die ganze Angelegenheit verschleiern wollen. Und einen privaten Besuch des Kaisers in Hamburg hat es natürlich nie gegeben.»
    «Unglaublich.»
    «In der Tat. Aber ich habe Versmann eindringlich gebeten, er möge Staatsanwalt Romen doch nahe legen, die Anklage gegen Marten Steen fallen zu lassen. Sollte das nicht geschehen, würde ich die Verteidigung übernehmen und ich könne nicht garantieren, dass bei dem Prozess nicht einige überaus heikle Details zur Sprache kämen.»
    «Raffiniert.»
    «Ich habe weiterhin angedeutet, dass ich einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem geplanten Attentat und der Verzögerungstaktik einiger Senatoren vermute, den Ausbruch der asiatischen Cholera in der Stadt nach Berlin zu melden, denn andernfalls wäre der Kaiser bestimmt nicht in die Stadt gekommen. Du kannst dir vorstellen, dass Versmann ziemlich erschrocken war, als ich ihm von dem Gespräch zwischen Hachmann und Kraus erzählte.» Sören grinste. «Heute ist im Senat übrigens das erste Mal der Rücktritt des Medicinalrates gefordert worden. Wie Versmann mir sagte, versucht Hachmann zwar, Kraus zu decken, aber Bürgermeister Mönckeberg hat ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass man das Versagen der städtischen Medicinalpolitik gegenüber Berlin wohl kaum entschuldigen könne. Nachdem Versmann über die Hintergründe im Bilde war, versprach er mir sofort, Mönckeberg zukünftig in der Sache zu unterstützen. Alles in allem kann man also davon ausgehen, dass Marten Steen wohl in den nächsten Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Er hat sich ja auch nicht wirklich etwas zuschulden kommen lassen. Tja, und an besagtem Abend waren so viele einflussreiche Bürger mit Rang und Namen unter den Anwesenden der denkwürdigen Festivität, dass niemand daran Interesse haben wird, die Geschichte an die große Glocke zu hängen. Wenn ich die ehrbaren Herren als Zeugen vor Gericht laden würde, wäre es natürlich nicht vermeidbar, dass Sinn und Zweck der kleinen Veranstaltung genauer hinterfragt würden. Soweit mir inzwischen bekannt ist, finden solche Amüsements in diesem Haus nämlich in schöner Regelmäßigkeit statt.»
    «Könntest du dich denn mit einem solchen Verlauf arrangieren?»
    «Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben. Wie ich inzwischen herausgefunden habe, stand übrigens auch Senator von Wesselhöft auf der ursprünglichen Gästeliste. Wahrscheinlich hat er das Attentat auf Kaiser Wilhelm sogar mit Smitten zusammen geplant.»
    «Meinst du, es war Smittens Idee, den Kaiser zu ermorden?»
    Sören wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. «Zumindest hat er eine zentrale Rolle bei der Durchführung gespielt. Aber ganz alleine kann er das nicht ausgeheckt haben. Dass Senator von Wesselhöft mit im Boot saß, steht für mich so gut wie fest. Beide sind auf Empfehlung derselben Person eingeladen gewesen. Außerdem fällt von Wesselhöft als Senator eine entscheidende Rolle bei der Vertuschung und Verschleierung der Cholera in der Stadt zu. Dies Verhalten würde auch zu meiner Vermutung passen, dass es da einen Zusammenhang gibt.»
    «Dann müssten doch auch andere Senatoren   …»
    «Wer noch dahinter steckt, wird wohl nicht mehr in Erfahrung zu bringen sein, aber so ganz abwegig ist diese Vorstellung nicht.»
    Mathilda sah Sören an. «Aber warum nur? Aus welchem Grund?»
    «Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, aus dem man auch bereit war, das Leben Tausender Menschen aufs Spiel zu setzen, nur um einer drohenden Quarantäne vorzubeugen. Die wirtschaftlichen Interessen der Kaufleute haben diese Stadt schon immer regiert, Mathilda. Und diese Interessen sind sehr vielschichtig. Ich kann mir durchaus denken, dass es so eine Art Verschwörunggegeben hat. Die politischen Bestrebungen Wilhelms laufen nicht unbedingt konform mit den liberalen Handelsvorstellungen hanseatischer Kaufleute. Die Politik der Schutzzölle lässt sich mit der Idee des weltweiten freien Handels nun mal nicht vereinbaren. Smitten war schließlich Reeder. Er handelte vorwiegend mit Waren aus Übersee. Seit Jahren schon hört man nicht nur von diesen Kaufleuten den Ruf nach einer konsequenteren Kolonialpolitik. Man fordert vom Staat eine Flotte, welche die Handelsschiffe auf den Weltmeeren beschützt. Aber Berlin unternimmt nichts. Also kreiden einige Leute diesen Mangel der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher