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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod
Autoren: Boris Meyn
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Hartmann war kreidebleich geworden. «Bist du dir absolut sicher, dass Seine Majestät auf dem Weg in die Stadt ist?»
    «Es gibt unzweifelhafte Hinweise dafür», erklärte Martin.
    Ernst Hartmann hatte sich vor eine große Karte gestellt, die an einem Ständer in der Ecke des Raumes hing, und suchte nach der Adresse, die Sören ihm genannt hatte. «Das ist schon seltsam», murmelte er. «Ichhabe heute Morgen eine Nachricht von Staatsanwalt Romen erhalten. Er hat einen Tipp bekommen, die Sozialdemokraten planten am heutigen Abend in der Gegend irgendetwas, und er bat mich darum, dort vorsorglich ein paar Beamte patrouillieren zu lassen.»
    «Sozialdemokraten?», wiederholte Sören nachdenklich. Wie wollte Romen an diese Information gelangt sein? Es war allgemein bekannt, dass Sozialisten für ihn im wahrsten Sinne des Wortes ein rotes Tuch darstellten. Plötzlich erhellte sich Sörens Miene. «Das ist es!», rief er und blickte Altena Weissgerber an. «Sie erwähnten doch Marten Steens Parteizugehörigkeit. Man will es den Sozialdemokraten in die Schuhe schieben. Und ich habe mich die ganze Zeit über gefragt: Warum gerade er? Jetzt geht mir ein Licht auf. Wahrscheinlich soll man hinterher nicht nur seinen Parteiausweis, sondern auch noch ein gefälschtes Bekennerschreiben in seiner Rocktasche finden.»
    «Wir machen uns sofort auf den Weg», erklärte Ernst Hartmann und griff nach seinem Rock. «Hier sind noch zwei Leutnants, ein Bezirkskommissar und ein Oberwachtmeister in Bereitschaft. Mit den Beamten vor Ort wird das fürs Erste reichen. Ich werde die zuständige Wache telegraphisch verständigen.»
     
    Zehn Minuten später setzten sich drei Polizeidroschken vom Stadthaus Richtung Winterhude in Bewegung. Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten sie die Blumenstraße, wo die Beamten der zuständigen Wache wie vereinbart Posten bezogen hatten. Die Villa selbst lag am Rondeel, einer schmalen Straße, die kreisförmig um ein teichförmiges Bassin führte. Dieser Teich war eine Ausbuchtung an einem Seitenarm der oberen Alsterkanäle,und die anliegenden Villen hatten über ihre Gärten einen direkten Zugang zum Wasser. Die ganze Gegend war noch spärlich bebaut, die Grundstücke dafür umso weitläufiger.
    Kommissar Muschek und Leutnant Ockelmann wiesen die Beamten der örtlichen Polizeiwache an, sich in unmittelbarer Nähe des Hauses in Bereitschaft zu halten. Zuerst wollten die Criminalen in Erfahrung bringen, ob sich der Ehrengast bereits im Hause befand. Anhand der prächtigen Droschken, die in der Auffahrt der Villa geparkt waren, konnte man das nicht ohne weiteres erkennen, zumal Martin darauf hingewiesen hatte, dass der Kaiser inkognito reise.
    Sören hatte ein mulmiges Gefühl. Seine rechte Hand tastete in der Rocktasche nach dem Griff des Revolvers, den Ernst Hartmann ihm gegeben hatte. Es war lange her, dass er eine Waffe in der Hand gehalten hatte. Martin war zusammen mit Oberwachtmeister Bertram und zwei uniformierten Gendarmen zur Ecke Rondeel und Sierichstraße gegangen. Wenn der Kaiser noch nicht eingetroffen sei, dann werde er wohl über die Sierichstraße kommen und man könne seinen Wagen dort abfangen. Natürlich war Martins Vorschlag in erster Linie ein Vorwand, das Haus nicht zeitgleich mit der Polizei betreten zu müssen, weil er wahrscheinlich den einen oder anderen Gast näher kannte, aber Hartmann fand die Idee dennoch ausgezeichnet. Altena Weissgerber stand bei Polizeileutnant Ockelmann, dem nach Hartmann ranghöchsten Criminalen, und gemeinsam beratschlagte man, ob es sinnvoll sei, sie mit ins Haus zu nehmen, um Marten Steen möglichst schnell identifizieren zu können.
    Dann ging mit einem Mal alles ganz schnell. Hartmannund Kommissar Muschek liefen zügigen Schritts auf das Eingangsportal zu. Sören und Altena Weissgerber folgten ihnen mit den criminalen Leutnants im Abstand von wenigen Metern. Der Hausdiener, der ihnen die Tür geöffnet hatte, erfasste die Situation sofort. Noch bevor Hartmann und Muschek sich ausgewiesen hatten, versuchte er, die Tür wieder zu schließen, aber Muschek hatte bereits seinen Fuß in den Türspalt gestellt. Mit einem schnellen Griff packte der Kommissar den Diener am Livree, bog ihm den Arm auf den Rücken und zerrte ihn zu Boden. Mit der linken Hand hielt er den Hals des Mannes umfasst, die Rechte hielt ihm einen Revolver an die Stirn. «Einen Mucks, und du bist hin», drohte er im Flüsterton. «Ist Seine Majestät bereits im Haus?»
    Der Diener schaute
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