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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond
Autoren: Alyson Noël
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schlucke schwer und habe keine Angst davor, mein Blut zu vergießen, aber ich habe Angst davor, zum Narren gehalten zu werden und Damen für immer zu verlieren.
    »Du hast doch sicher keine Angst, dass du nicht Damens wahre große Liebe sein könntest, oder?«, fragt er, wobei sich seine Lippen kaum merklich verziehen. »Oder soll ich stattdessen lieber Stada anrufen?«
    Ich greife nach einer herumliegenden Schere, ziele damit auf mein Handgelenk und will gerade hineinstechen, als Rayne schreit: »Ever, nein! Tu's nicht! Es ist ein Trick! Hör nicht auf ihn! Glaub ihm kein Wort!«
    Ich schaue zu Damen hinüber, sehe, wie sich sein Brustkorb so mühsam hebt und senkt, dass ich keine Sekunde mehr verlieren darf. Im Grunde meines Herzens weiß ich, dass er nur noch Minuten hat, keine Stunden. Ich stoße fest mit der Schere zu, die scharfe Spitze durchstößt die Haut an meinem Handgelenk und dringt tief ein. Eine Blutfontäne schießt in die Luft, ehe die Schwerkraft einsetzt und sie zu Fall bringt. Rayne schreit auf, und der Laut ist so schrill, dass er alles andere übertönt. Roman kniet bereits neben mir und fängt mein Blut auf.
    Obwohl mir flau und ein bisschen schwindelig wird, dauert es bloß ein paar Sekunden, bis meine Venen sich schließen und die Haut wieder heil ist. Und so schnappe ich mir die Flasche, ignoriere Raynes Proteste und durchbreche den Kreis. Ich schiebe sie beiseite, knie mich hin und lege Damen eine Hand in den Nacken, um ihn zum Trinken zu bringen. Sein Atem wird schwächer und schwächer, bis er zum völligen Stillstand kommt.
    »NEIN!«, schreie ich. »Du darfst nicht sterben - du darfst mich nicht verlassen!« Ich zwinge ihm die Flüssigkeit die Kehle hinab, entschlossen, ihn zurückzuholen, ihn ins Leben zurückzubringen, genau wie er es einst bei mir getan hat.
    Ich drücke ihn an mich und flehe innerlich um sein Überleben. Alles um mich herum versinkt, während ich mich nur auf Damen konzentriere, meinen einzigen wahren Seelenfreund, meinen ewigen Partner, meinen einzigen Geliebten, und ich weigere mich, Abschied zu nehmen, ich weigere mich, die Hoffnung aufzugeben. Als die Flasche leer ist, breche ich über seiner Brust zusammen, presse meine Lippen auf seine, hauche ihm meinen Atem ein, mein Sein, mein Leben. Dabei flüstere ich die Worte, die er einst zu mir gesagt hat: »Mach die Augen auf, und sieh mich an!«
    Wieder und wieder ...
    Bis er es schließlich tut.
    »Damen!«, rufe ich weinend, während mir die Tränen über die Wangen laufen und auf sein Gesicht tropfen. »Oh, Gott sei Dank, du bist wieder da! Du hast mir ja so gefehlt! Ich liebe dich, und ich verspreche, dass ich dich nie wieder verlassen werde! Also, bitte verzeih mir, bitte!«
    Zitternd schlägt er die Augen auf, bewegt mühsam die Lippen und artikuliert Worte, die ich nicht verstehe. Als ich mein Ohr an seine Lippen senke, voller Dankbarkeit, wieder mit ihm vereint zu sein, wird unser Wiedersehen durch lautes Klatschen unterbrochen.
    Langsames, rhythmisches Klatschen von Roman, der jetzt direkt hinter mir steht. Er hat den Kreis durchbrochen, während Rayne in der anderen Ecke kauert.
    »Bravo!«, ruft er mit spöttischer Miene und blickt amüsiert zwischen Damen und mir hin und her. »Gut gemacht, Ever. Ich muss sagen, das war wirklich alles sehr ... rührend.
    Man wird nicht oft Zeuge eines so ergreifenden Wiedersehens.«
    Ich schlucke schwer. Mir zittern die Hände, in meinem Magen kribbelt es, und ich frage mich, was er wohl im Schilde führt. Ich meine, Damen lebt, das Gegengift hat gewirkt, was kann also noch kommen?
    Ich schaue zu Damen hinüber, verfolge das regelmäßige Heben und Senken seines Brustkorbs, während er wieder einschläft, und werfe einen Blick auf Rayne, die mich mit weit aufgerissenen Augen und fassungsloser Miene ansieht.
    Doch als ich mich Roman zuwende, bin ich sicher, dass er nur einen letzten Witz machen, lächerlicherweise noch einmal den Draufgänger geben will, jetzt, da Damen gerettet ist. »Und, willst du jetzt mich zur Strecke bringen? Geht es darum?«, sage ich und bereite mich innerlich darauf vor, ihn notfalls zu überwältigen.
    Doch er schüttelt nur den Kopf und lacht. »Warum sollte ich? Warum sollte ich mich um ein nagelneues Vergnügen bringen, das gerade erst begonnen hat?«
    Ich erstarre und spüre, wie die Panik in mir aufsteigt, versuche jedoch, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Ich wusste gar nicht, dass du so leicht zu überreden, so berechenbar bist, aber das
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