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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund
Autoren: Raul Zelik
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Vater abgeholt, für einen Augenblick herrscht auf dem Dorfplatz völlige Stille. Aus der Kneipe hört man einen Gefrierschrank brummen. Rabbee schlägt die Hände in den Nacken, lässt den Kopf kreisen und blickt dann schnaufend nach oben in den Abendhimmel, an dem sich die ersten Sterne abzeichnen.
    Mir fällt der Anblick der im Wasser treibenden Zeitung ein. Auf dem Foto sah Zubieta gefährlich aus.
    Ein Hund bellt.
    Ich frage mich, ob es eine Abteilung bei der Polizei gibt, die Fahndungsfotos so lange manipuliert, bis jeder freundliche Zug aus den Gesichtern der Gesuchten verschwunden ist.
    Und dann habe ich plötzlich unsagbare Angst.

IV
    Eines Morgens geht er fort. Packt Unterlagen und Kleidung in eine Tasche, zieht den Reißverschluss zu und greift nach einem Buch. Der Name auf dem Buchumschlag ist auffällig lang, das Autorenbild unscharf: ein Mann, bärtig, Mitte zwanzig, lächelnd.
    Man hört das Hupen eines Autos vor der Tür. Die Hauptperson, sehr jung, legt das Buch zurück, blickt sich ein letztes Mal um. An der Wand hängt ein Kalender, man erkennt die Zahl 1985, draußen vor dem Fenster sieht man Industrieanlagen und eine frisch gesenste Weide. Heu trocknet am Hang.
    Der junge Mann verlässt die Wohnung und steigt zu einem Bekannten in einen Wagen, einen alten SEAT, der unten vor der Tür steht. Das Straßenbild scheint mit dem Kalenderjahr nicht übereinzustimmen: Mode und Frisuren wie in den siebziger Jahren, rauchende Schornsteine wie in der Frühzeit der Industrialisierung, politische Parolen an den Wänden, an denen der SEAT vorbeirollt.
    Die Männer stellen ihr Fahrzeug in einer Gasse in der Altstadt ab und steigen in einen LKW. Sonido Estereo, Stereoanlage, steht auf der Plane des Wagens in großen dunkelblauen Lettern, darunter eine Telefonnummer mit der Vorwahl 943. Der LKW verlässt die Innenstadt und erreicht nach einiger Zeit ein großes Gebäude, unweit einer Bahnstrecke. Wachtürme, Stacheldraht, hohe Mauern – offensichtlich ein Gefängnis. Die Kontrolle am Eingang dauert nicht lange – der LKW scheint angemeldet zu sein. Er rollt durch den Gefängnishof setzt an einer Rampe zurück und wird entladen. In einer großen Halle werden Boxen aufgebaut und Stuhlreihen aufgestellt.
    Der Saal füllt sich, Musiker betreten die Bühne, es beginnt ein Konzert. Das Publikum trägt keine Häftlingsuniformen, doch man erkennt sofort, dass es sich um Gefangene handelt. Hinter diesen, an den Ausgängen, stehen die Schließer. Zögerlich wippen sie mit. Nach dem letzten Lied – lang anhaltender Applaus – erklärt einer der Häftlinge die Veranstaltung für beendet, die Menge erhebt sich, strömt lärmend aus dem Saal. In diesem Augenblick springt der junge Mann, unsere Hauptperson, hektisch auf die Bühne und räumt mit wenigen Handgriffen die Lautsprecherboxen beiseite. Zeitgleich setzt sich einer der Gefangenen vom sich hinausbewegenden Pulk ab und schlüpft, von den Vollzugsbeamten unbemerkt, in einen Putzraum. Der junge Mann, unsere Hauptperson, fährt nun zwei Lautsprecher auf einer Sackkarre bis vor die Tür eben dieser Kammer, zieht den Schaumstoffbezug vom Lautsprecher ab und öffnet exakt dann, als ein Schließer auf die Bühne steigt, um zu kontrollieren, ob Häftlinge im Saal zurückgeblieben sind, den Putzraum. Der Versteckte kriecht in die schwarze, eben dort abgestellte Box und kauert sich zusammen. Eine Geräuschkulisse aus Unterhaltungen und Musik vom Band, der Schließer blickt von der Bühne herunter, ohne etwas zu entdecken, unsere Hauptperson befestigt die Schaumstoffmatte wieder auf der Lautsprecherbox und fährt diese mit der Sackkarre zum Hallenausgang. Obwohl es nicht lange dauert, bis die ganze Anlage abgebaut und wieder im LKW verstaut ist, scheinen sich die nächsten Minuten endlos hinzuziehen. Jeden Moment könnte den Schließern auffallen, dass einer der Häftlinge nicht in seine Zelle zurückgekehrt ist.
    Endlich fährt der LKW von Sonido Estereo an. Am Kontrollpunkt an der Gefängnisausfahrt wartet schon die Polizei – Guardia Civil. Damals trägt sie noch tricornios, jene zackigen schwarzen Hüte, deren Anblick die Erinnerung an die Diktatur heraufbeschwört. Unsere Hauptperson erschrickt, als die Polizisten ihn aus dem Führerhäuschen steigen und den Laderaum öffnen lassen, Schweißperlen treten ihm auf die Stirn. Er denkt, es war dumm, es auf diese Weise zu versuchen, viel zu plump. Die großen, schwarzen Boxen drängen sich als Versteck geradezu auf.
    Doch die
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