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Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Titel: Der Besuch der alten Dame (German Edition)
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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STIMME Klappt.
    DER KAMERAMANN Also los.
    Der Bürgermeister setzt sich in Pose.
     
    DER BÜRGERMEISTER Wer reinen Herzens die Gerechtigkeit verwirklichen will, erhebe die Hand.
    Alle erheben die Hand.
     
    DER BÜRGERMEISTER Die Stiftung der Claire Zachanassian ist angenommen. Einstimmig. Nicht des Geldes –
    DIE GEMEINDE Nicht des Geldes –
    DER BÜRGERMEISTER sondern der Gerechtigkeit wegen –
    DIE GEMEINDE sondern der Gerechtigkeit wegen –
    DER BÜRGERMEISTER und aus Gewissensnot.
    DIE GEMEINDE und aus Gewissensnot.
    DER BÜRGERMEISTER Denn wir können nicht leben, wenn wir ein Verbrechen unter uns dulden –
    DIE GEMEINDE Denn wir können nicht leben, wenn wir ein Verbrechen unter uns dulden –
    DER BÜRGERMEISTER welches wir ausrotten müssen –
    DIE GEMEINDE welches wir ausrotten müssen –
    DER BÜRGERMEISTER damit unsere Seelen nicht Schaden erleiden –
    DIE GEMEINDE damit unsere Seelen nicht Schaden erleiden –
    DER BÜRGERMEISTER und unsere heiligsten Güter.
    DIE GEMEINDE und unsere heiligsten Güter.
    Stille.
     
    DER KAMERAMANN leise Ill! Na!
    Stille.
     
    DER KAMERAMANN enttäuscht Dann nicht. Ein Jammer, daß der Freudenschrei »mein Gott« nicht kam, der war besonders eindrucksvoll.
    DER BÜRGERMEISTER Die Herren von der Presse, vom Rundfunk und vom Film sind zu einem Imbiß eingeladen. Im Restaurant. Sie verlassen den Theatersaal am besten durch den Bühnenausgang. Den Frauen ist im Garten des ›Goldenen Apostels‹ ein Tee serviert.
    Die Presse-, Rundfunk-und Filmleute gehen nach hinten rechts hinaus. Die Männer bleiben unbeweglich auf der Bühne. Ill steht auf, will gehen.
     
    DER POLIZIST Bleib! Er drückt Ill auf die Bank nieder.
    ILL Ihr wollt es noch heute tun?
    DER POLIZIST Natürlich.
    ILL Ich dachte, es würde am besten bei mir geschehen.
    DER POLIZIST Es geschieht hier.
    DER BÜRGERMEISTER Ist niemand mehr im Zuschauerraum?
    Der Dritte und der Vierte spähen nach unten.
     
    DER DRITTE Niemand.
    DER BÜRGERMEISTER Auf der Galerie?
    DER VIERTE Leer.
    DER BÜRGERMEISTER Schließt die Türen. Den Saal darf niemand mehr betreten.
    Die zwei gehen in den Zuschauerraum.
     
    DER DRITTE Geschlossen.
    DER VIERTE Geschlossen.
    DER BÜRGERMEISTER Löscht die Lichter. Der Vollmond scheint durch die Fenster der Galerie. Das genügt.
    Die Bühne wird dunkel. Im schwachen Mondlicht sind die Menschen nur undeutlich zu sehen.
     
    DER BÜRGERMEISTER Bildet eine Gasse.
    Die Güllener bilden eine kleine Gasse, an deren Ende der Turner steht, nun in eleganten weißen Hosen, eine rote Schärpe über dem Turnerleibchen!
     
    DER BÜRGERMEISTER Herr Pfarrer, darf ich bitten.
    Der Pfarrer geht langsam zu Ill, setzt sich zu ihm.
     
    DER PFARRER Nun, Ill, Ihre schwere Stunde ist gekommen.
    ILL Eine Zigarette.
    DER PFARRER Eine Zigarette, Herr Bürgermeister.
    DER BÜRGERMEISTER mit Wärme Selbstverständlich. Eine besonders gute.
    Er reicht die Schachtel dem Pfarrer, der sie Ill hinhält. Der nimmt eine Zigarette, der Polizist gibt ihm Feuer, der Pfarrer gibt die Schachtel wieder dem Bürgermeister zurück.
     
    DER PFARRER Wie schon der Prophet Amos gesagt hat –
    ILL Bitte nicht. Raucht.
    DER PFARRER Sie fürchten sich nicht?
    ILL Nicht mehr sehr. Raucht.
    DER PFARRER hilflos Ich werde für Sie beten.
    ILL Beten Sie für Güllen.
    Ill raucht. Der Pfarrer steht langsam auf.
     
    DER PFARRER Gott sei uns gnädig.
    Der Pfarrer geht langsam in die Reihen der andern.
     
    DER BÜRGERMEISTER Erheben Sie sich, Alfred Ill.
    Ill zögert.
     
    DER POLIZIST Steh auf, du Schwein . Er reißt ihn in die Höhe.
    DER BÜRGERMEISTER Polizeiwachtmeister, beherrschen Sie sich.
    DER POLIZIST Verzeihung. Es ging mit mir durch.
    DER BÜRGERMEISTER Kommen Sie, Alfred Ill.
    Ill läßt die Zigarette fallen, tritt sie mit dem Fuß aus. Geht dann langsam in die Mitte der Bühne, kehrt dem Publikum den Rücken.
     
    DER BÜRGERMEISTER Gehen Sie in die Gasse.
    Ill zögert.
     
    DER POLIZIST Los, geh.
    Ill geht langsam in die Gasse der schweigenden Männer. Ganz hinten stellt sich ihm der Turner entgegen. Ill bleibt stehen, kehrt sich um, sieht, wie sich unbarmherzig die Gasse schließt, sinkt in die Knie. Die Gasse verwandelt sich in einen Menschenknäuel, lautlos, der sich ballt, der langsam niederkauert. Stille. Von links vorne kommen Journalisten. Es wird hell.
     
    PRESSEMANN I Was ist denn hier los?
    Der Menschenknäuel lockert sich auf. Die Männer sammeln sich im Hintergrund, schweigend. Zurück bleibt nur der Arzt,
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