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Der Bestseller

Der Bestseller

Titel: Der Bestseller
Autoren: Robert Carter
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weltberühmt.
    Ich mag unsere Hauptstadt, aber trotzdem hat mir John F. Kennedys Bonmot immer gefallen: »In Washington vereint sich die Effizienz des Südens mit dem Charme des Nordens.« Dennoch muß man zugeben, daß eine Stadt, in der kein Gebäude höher als dreißig Meter sein darf — vermutlich, damit man von überall her freie Sicht auf das Capitol hat — , sehr klare architektonische Prioritäten gesetzt hat.
    Kurz nach zwölf trafen wir im Shoreham Hotel ein. Ich weiß, daß es in Washington luxuriösere Unterkünfte gibt. Die Pracht des Shoreham ist ein bißchen verstaubt, aber ich mag es, und es sind — für mich wenigstens — eine Menge wehmütiger Erinnerungen mit diesem Haus verknüpft. Während meines Vorstudiums in Princeton habe ich meinen Vater einige Male zur ABA begleitet. Damals fand sie jedes Jahr in Washington statt — ich habe den Verdacht, daß die Association irgendeine Sondervereinbarung mit dem Hotel hatte — , und die Ausstellungsstände befanden sich allesamt in der Garage unter dem Shoreham. Man stieg entweder im Shoreham oder gegenüber, im Park-Sheraton (dem jetzigen Washington Sheraton), ab.
    Was für Erinnerungen das sind...
    Wir gingen in den frühen Morgenstunden durch die Korridore des Hotels, auf der Suche nach Parties. Wir fanden sie ganz einfach, indem wir dem Geräusch von Lachen und lauten Unterhaltungen folgten, das durch die offenen Türen der von den Verlagen belegten Suiten drang, oder dem Klang einer Gitarre und eines Folksongs... Damals war jede Nacht eine nicht enden wollende Party... und jeder Morgen ein nicht enden wollender Kater. Wodka Stinger und Brandy Alexander standen ganz oben auf der Liste unserer Lieblingsdrinks. Wie die Kettenraucher, die sich, ohne es zu wissen, jeden Tag ihren Totenschein ausstellten, hatten wir es in unserem Leichtsinn eilig, unsere Leber zu verwüsten...
    Nicht daß Sie denken, ich wäre ein Gesundheitsapostel. Ich rauche hin und wieder ganz gern eine Zigarre, sofern es eine gute ist, und ich fühle mich wohl mit einem Glas in der Hand, vorausgesetzt, es enthält die richtige Mischung aus Absolut und Noilly Prat. Offen gestanden: Ich trinke, wann immer mich die Lust dazu überkommt.
    Als ich eines Morgens in den Swimmingpool sprang, sah ich auf dem Boden des Beckens etwas Weißes schimmern. Es war eine Eintrittskarte für die Convention. Ich fischte sie heraus und stellte fest, daß es meine Eintrittskarte war, hatte allerdings nicht die leiseste Ahnung, wie sie dorthin gekommen war...
    Es gab immer mindestens eine Pokerrunde — Einsatz: ein Dollar, Limit: fünf Dollar — in irgendeinem verrauchten, nach Malt-Whisky stinkenden Hotelzimmer. Es war ein demokratisches Spiel: Verleger saßen mit Vertretern an einem Tisch, Vertreter ließen sich von Buchhändlern bluffen. Damen waren selbstverständlich nicht zugelassen...
    Schöne Erinnerungen, ja. Ohne die jährlich wiederkehrende ABA würde mir etwas fehlen. Man nörgelt zwar ständig über die Kosten und behauptet, daß sich die Sache ja gar nicht lohnt (»Kein Mensch macht da irgendwelche Geschäfte«, lautet der allgemeine Refrain), aber ich vermute, daß es den meisten Verlegern so geht wie mir, auch wenn sie nur hingehen, weil es unklug wäre, es nicht zu tun. Es mag eine Orgie sein, aber wenigstens ist es unsere Orgie.

2

    S obald wir ausgepackt hatten, machten wir uns auf den Weg zum Convention Center, diesmal in einem Taxi ohne Klimaanlage.
    Wir fanden unseren Ausstellungsstand recht schnell und dort unsere Vertriebsleiterin Mary Sunday, die so bekümmert aussah wie damals, als unser Starvertreter zu Simon & Schuster desertiert war.
    »Ach, Nick«, klagte sie, »die Bücher sind nicht gekommen. Diese verdammte Spedition hat nichts als Scheiße gebaut.« Mary hat für damenhafte Euphemismen wenig übrig.
    Ich bemühte mich, sie aufzumuntern. »Na ja, immerhin sind die Plakate da.«
    Einige Verlage stellen tatsächlich noch Bücher aus, andere präsentieren nur große Plakate und die Schutzumschläge ihrer Neuerscheinungen. Barlow & Company tut beides, auch wenn die Bücher irgendwie überflüssig wirken, da sich fast niemand die Zeit nimmt, in ihnen zu blättern. Ich habe es einmal ausgerechnet: Wenn jemand während der dreieinhalb Tage der ABA jeden Stand besuchen würde, hätte er pro Aussteller genau fünfundvierzig Sekunden Zeit. Nein, wir können nur hoffen, daß die Leute, die vorbeikommen, von den Plakaten angezogen werden und stehenbleiben, so daß wir ihnen
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