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Der Bestienhelm

Der Bestienhelm

Titel: Der Bestienhelm
Autoren: Hans Kneifel
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Gedanken abhalten.«
    »Oder ein tiefer Schlaf, hoffen wir es«, antwortete Elivara.
    Wieder schwiegen sie und fühlten die Bewegungen des Schiffes. Die Sonne brannte auf ihren Gesichtern. Vor dem Schiff flatterte ein Schwarm Seevögel auf und strebte dem Ufer zu. Die Wolken weit hinter ihnen wurden dunkler und breiteten sich aus. Das Schiff hinterließ eine breite, flüchtige Schaumspur zwischen den Felsen.
    »Wenn ich diese Wolken richtig deute«, sagte Mythor und schüttelte sich, »dann gibt es einen Sturm, dem wir nicht entkommen können. Er wird uns nach Norden treiben. Ich glaube, dass wir einen schauerlichen Abend und eine furchtbare Nacht vor uns haben. Die Wolken verdecken den Mond und die Sterne.«
    »Vielleicht sollten wir am Ufer ankern?«
    »Ohne Hafen? Ohne den Schutz einer Bucht? Ich glaube, wir sind besser dran, wenn wir heute, später, diese Zone verlassen und uns weiter aufs offene Meer hinauswagen. Hat uns die vergangene Nacht nicht umgebracht, werden wir auch diese Nacht überstehen.«
    Elivara lehnte sich an die Reling, die Spuren des letzten Kampfes aufwies. Die Königin sagte laut: »Seltsam. Ich fürchte mich nicht. Vielleicht macht das deine Nähe aus.«
    »Überschätze mich nicht. Ich bin ein Wanderer und auf der Suche. Für eine Weile verlaufen unsere Wege miteinander«, antwortete Mythor.
    Der Wind wehte über dem kargen Ufer Staubfahnen in die Luft und trug sie davon. Das Sonnenlicht glänzte auf den Wellen. Aber mehr und mehr nahm es einen scharfen, bösen Glanz an. Nur noch ein Drittel des Himmels war frei und zeigte strahlend blauen Himmel. Der Rest war ein Brodeln und Zusammenballen von dunklen Wolken und schwarzem Nebel. Es war, als bereite sich das Meer auf einen vernichtenden Schlag vor. Das Meer schien unendlich groß, und die Kurnis war so klein und hilflos.
    Aber jetzt, in dieser Stunde, herrschte noch Friede.
    Die erschöpften Gefährten ruhten sich aus, während Elivara und Mythor das Schiff steuerten. Mythors Helm baumelte neben dem Wappenschild und schlug bei jedem Aufbäumen des Schiffes gegen das Metall.
    Die Caer-Dreimaster waren nur noch dunkle Punkte am Horizont. Aus dieser Richtung drohte keine Gefahr.
    »Warum lächelst du, Mythor?« fragte Elivara nach einer Weile. Sie hatte sich, in ihren Mantel gehüllt, in einer windgeschützten Ecke hingekauert und lehnte sich an die massive Reling. Die Gischtspritzer gingen über sie hinweg, ohne sie zu durchnässen.
    »Habe ich das?« fragte er zurück.
    Seine Gedanken waren an ganz anderen Orten gewesen. In der Vergangenheit, die so kurz und abenteuerlich war, und in der Zukunft, die groß und dunkel vor ihm lag. Er dachte an die Prüfungen, die ihm bevorstanden, und an Althars Wolkenhort, an das Pergament über seiner Brust und vieles andere. Nur nicht an den Friedhof der Mammuts.
    »Nun«, versuchte er eine Erklärung, »ich habe gelächelt, weil ich lebe, mitten im Sonnenlicht und auf dem Meer, das ich nicht kenne. Es ist so etwas wie Dankbarkeit, ich weiß allerdings nicht, wem gegenüber. Vielleicht dem Schicksal. Gleichzeitig freue ich mich auf den Moment der Landung, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. Und schließlich freue ich mich darüber, dass du hier sitzt und mich fragst, warum ich lächle.«
    Jetzt lächelte auch Elivara. Sie war jung genug, trotz der Erinnerung an die letzten Tage den Augenblick zu genießen. »Du hast recht«, sagte sie schließlich. »Wir sollten nicht an Gefahren denken, die wir noch nicht kennen.«
    Aber bei allem wussten sie, dass diese Stunde in Wirklichkeit ein Geschenk war. Früher oder später würde die Wirklichkeit wieder jeden von ihnen einholen und zwingen, bestimmte Dinge zu tun. Dinge, an die niemand dachte, weil sie unvorstellbar waren und in vielen Fällen das Werk dunkler Mächte aus der Schattenzone. Mythor wischte sich einen Spritzer Salzwasser aus dem Gesicht und bewegte das Ruder nach Steuerbord. Noch hatte sie der Sturm nicht ergriffen.







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