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Der Bestienhelm

Der Bestienhelm

Titel: Der Bestienhelm
Autoren: Hans Kneifel
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erwartet. Das Wesen, das den höchsten Turm Nyrngors besteigen darf, ist mir unbekannt. Aber wir werden Königin Elivara fragen, wenn sie ausgeschlafen hat und wieder bei Kräften ist.«
    Ihre Fahrt zu einem fremden Teil des Gestades von Dandamar ging weiter mit gleicher Geschwindigkeit und nicht nachlassendem Wind von achtern. Die vergangenen Abenteuer begannen zu verblassen, Neugierde und Spannung wuchsen, wenn vor ihrem inneren Auge die Vorstellungen vom Mammutfriedhof und dem unbekannten Sklutur heranwuchsen.
    *
    Der Dämonenpriester schlug seine Beine übereinander. Der Saum des schwarzen Mantels, prunkvoll mit silbernen Fäden durchwirkt, klaffte auseinander. Mit dem ausgestreckten Finger, der wegen des Handschuhs einem geschwärzten Knochen glich, zeigte Feithearn auf den schweigsamen Ritter. Unter der silberroten Maske klang die Stimme des Priesters verzerrt.
    »Drudin hat bestimmt, was mit Nyrngor zu geschehen hat, Ritter O'Marn«, sagte er. Auf einem Tisch neben Feithearn lagen der Bogen und der gefüllte Köcher des Priesters.
    »Mir ist bekannt«, sagte der Ritter in wegwerfendem Ton, »dass Herzog Murdon noch immer die Geschäfte des Herzogtums führt.«
    »Drudin hat mit ihm gewisse Absprachen getroffen, die uns betreffen«, versicherte Feithearn mit verschlagener Stimme. Jede Bewegung strahlte machtvolle Arroganz aus. »Aus diesem Grund werde ich bis auf weiteres in diesem Schloss bleiben.«
    Coerl O'Marn schien unbeeindruckt. »Und außerdem deswegen, weil es einer unbekannten Gruppe Nyrngorer gelungen ist, Aerinnen zu entführen.«
    Der Priester fasste mit beiden Händen an den hohen Helm. Die Knochen daran klapperten trocken. »Duldamuur!« stöhnte Feithearn auf. Er rief seinen Dämon. Eine eigentümliche Zwiesprache für O'Marn, denn der Dämon gab nur unhörbare Antworten. »Duldamuur! Sag diesem misstrauischen Heerführer, dass Aerinnen tot ist, ermordet von unheimlichen Kräften, die selbst sein Dämon nicht abwehren konnte!«
    »So wird es wohl gewesen sein«, murmelte O'Marn. Sie saßen im größten Saal von Schloss Fordmore. Es war kurz nach Mittag des Tages, an dem der Ritter mit seinen Kriegern ungehindert in Fordmore eingedrungen war und das Schloss besetzt hatte. Tageslicht flutete durch schmale, senkrechte Fenster herein. Trotzdem brannte ein gewaltiges Feuer im Kamin. Die brennenden Scheite krachten und schleuderten Funken in den Saal. Feithearn hatte in dem geschnitzten Thronsessel Platz genommen, der Ritter, von solchen Äußerlichkeiten schwer zu beeindrucken, saß unterhalb der Stufen in einem mit Fell ausgelegten Sessel.
    »So war es. Hat man Königin Elivara gefunden?« fragte Feithearn, dessen gläserne Gesichtshaut im Feuerschein zu glühen schien.
    »Nein. Auch nicht den Ritter, der mit ihr zusammen kämpfte.«
    O'Marn kannte Drudin und dessen Macht. Der Oberste Priester Caers hatte bis zu einem bestimmten Punkt auch über ihn dämonische Macht. Aber aus Gründen, die selbst der Ritter nur schwer verstehen konnte, hütete sich Drudin, diese Macht auszuspielen. Vielleicht war ihm ein selbständiger Heerführer dienlicher als einer, der von Drudins Dämon beherrscht war. Jetzt, nach dem Sieg über Nyrngor, begann sich der Ritter bereits ein wenig zu langweilen; für ihn waren die Kämpfe vermutlich vorbei.
    »Jedenfalls haben wir einen Stützpunkt auf Dandamar, einen guten Hafen und sichere Mauern«, sagte der Priester. »Der Sieg ist vollkommen.«
    »Und die Pest ist in der Stadt. Die Speicher sind leer, unsere Truppen werden in ein paar Tagen hungern müssen«, entgegnete der Ritter. Selten sah man ihn ohne seinen schweren Helm; jetzt hatte er ihn abgelegt. Sein hartes, von Falten durchzogenes Gesicht wirkte über dem Kragen der Rüstung auf seltsame Weise erfahren und zeitlos.
    »Das sind Aufgaben für deine Krieger, O'Marn«, antwortete Feithearn und musterte den Mann aus seinen blauen Augen. »Ihr werdet sie lösen.«
    »Sicher. Es wird nur eine Weile dauern und viel Arbeit erfordern.«
    »Nichts, was nicht zu schaffen ist.«
    »Alles ist zu schaffen. Erlaubst du mir in der Zwischenzeit, dass ich mir in diesem Schloss ein Bett suche?«
    »Selbstverständlich. Welch eine Frage. Ich warte auf Botschaft von Drudin. Dann werde ich dir sagen können, wie die nächsten Befehle lauten.«
    Der Ritter stand auf. Er nahm den Helm vom Tisch schob ihn unter den Arm und starrte lange schweigend in die tanzenden Flammen des Kamins. Dann verließ er mit schweren Schritten, die seine
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