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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System
Autoren: David Foster Wallace
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ihr alles beichten, obwohl es vermutlich der reine Horror sein wird.«
    »Wow.«
    »Na ja, es geht dann so aus, dass er am Schreibtisch des Arztes sitzt, den Hörer in seiner behandschuhten Hand, und in seiner Wohnung anruft und es länger klingeln lässt, nicht unbedngt endlos lang, das nicht, aber gerade so oft, dass fraglich scheint, ob seine Freundin überhaupt noch da ist oder nicht längst die Koffer gepackt hat. Wie gesagt, das ist der Schluss: Der Mann sitzt am Schreibtisch, ein tutender Telefonhörer in seiner Handschuhhand, angestrahlt von einem bisschen Sonne, das durch das Fenster des Arztes dringt.«
    »Mann! Und willst du die Geschichte verwenden?« »Nein. Viel zu lang. Über vierzig Seiten. Außerdem jede Menge Tippfehler drin.«
    »...«
    »Lass das.«
    »...«
    »Lenore, hör auf damit. Das ist nicht mal ansatzweise komisch.«
    »...«
    »...«
    »Aber woher weißt du so viel über die Hintergründe?« »Welche Hintergründe?«
    »Na, über Eitelkeit zweiten Grades. Du warst ganz überrascht, dass ich gar nichts darüber wusste.«
    »Was soll ich sagen? Ich bin eben ein Mann von Welt.« »...«
    »...«
    »Gingerale?«
    »Danke, jetzt nicht.«
│3│   1990
│a│
    Eine Schwesternhelferin leerte das Wasserglas eines Patienten aus dem Fenster; beim Auftreffen des Wassers auf dem Boden löste sich ein Kieselstein; der Kieselstein rollte über den abfallenden Gehweg, fiel mit einem Klick auf ein Abwasserrohr im Rinnstein und schreckte ein Eichhörnchen auf, das sich dort gerade eine Nuss herausholte; das Eichhörnchen flitzte auf den nächsten Baum und versetzte dadurch einen Zweig in Bewegung, der wiederum ein paar nervöse Morgenvögel aufscheuchte; einer dieser Vögel ließ vor dem Abflug noch schnell einen schwarzweißen Klecks fallen, der sauber auf die Windschutzscheibe eines Kleinwagens klatschte, welcher soeben auf einen Parkplatz fuhr und einer gewissen Lenore Beadsman gehörte. Lenore stieg aus, als die Vögel wegflatterten und dabei seltsame Geräusche von sich gaben.
    Blumenkästen mit Marmor-Optik, das heißt aus Plastik, das sich in der Hitzewelle des vergangenen Monats bauchig und unfroh verformt hatte, säumten die sanft ansteigende Rampe vom Parkplatz zum Haupteingang des Altenheims und präsentierten verdurstete Blumen in staubtrockener Erde. Magere braune Rankengewächse klammerten sich an die Geländerpfosten über den Blumenkästen, und nur der Handlauf leuchtete hellgelb, sah aber sogar zu dieser frühen Stunde weich und irgendwie klebrig aus. Noch glitzerte Tau im struppigen Augustgras, aber je weiter sie die Rampe erklomm, desto tiefer drang das Sonnenlicht ins Gras ein. Vor der Tür stand eine alte schwarze Frau reglos mit ihrem Gehwägelchen, den Mund in die Sonne geöffnet. Über der Tür, auf einem Architrav von marmorierter, sonnenverbogener Plastikpracht, der Schriftzug SHAKER HEIGHTS NURSING HOME. Zu beiden Seiten der Tür, eingelassen in einen Mauervorsprung, der mit sanfter Wölbung später in die eigentliche Fassade überging, die Bildnisse der Tafts. Im Eingangsbereich, einer Art Glaskasten zwischen innerer und äußerer Tür, hielten sich drei Rollstuhlfahrer auf. Trotz der Treibhausluft hatten sie Decken auf den Knien, und einem war der Kopf so weit zur Seite gesunken, dass das Ohr auf der Schulter lag.
    »Hi«, sagte Lenore, als sie die zweite, die innere Glastür aufmachte, die im Sonnenlicht milchige Muster aufwies, doch das waren nur die alten Fingerabdrücke der Rollstuhlfahrer, denen der Metallgriff mit dem Push- Zeichen zu hoch war oder zu hart.
    Das Seniorenwohnheim von Shaker Heights war eine ebenerdige Anlage und entsprechend weitläufig und unterteilt in viele Bereiche. Lenore trat aus dem Glaskasten in die etwas kühlere Eingangshalle und ging auf die frei stehende Rezeption des betreffenden Bereichs zu. Ein großer Ventilator drehte sich über dieser Service-Insel, in der eine Krankenschwester Dienst tat, die Lenore noch nicht kannte. Die dunkelblaue Strickjacke, die sie wie einen Umhang um die Schultern trug, wurde vorn von einer Metallschließe zusammengehalten, in die das Profil von Lawrence Welk graviert war. An sämtlichen Wänden parkten Leute im Rollstuhl. Der Lärm war erheblich und undefinierbar, mal lauter, mal leiser, akzentuiert von grundlosem Lachen und Wutgebrüll über Gott weiß was.
    Die Krankenschwester schaute hoch, als Lenore näher kam.
    »Hi, ich bin Lenore Beadsman«, sagte Lenore etwas außer Atem.
    Die Krankenschwester
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