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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System
Autoren: David Foster Wallace
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Freundin, er sei plötzlich – woran auch immer – erkrankt, und behandelt sie im Übrigen mit größtmöglicher Kälte, um sie auf Distanz zu halten, und das, obwohl er sie abgöttisch liebt. Nur wenn sie auf der Arbeit ist (sie arbeitet in der Damenoberbekleidungsbranche), verlässt er das Bett, steht stundenlang vor dem großen Spiegel im Badezimmer und betrachtet sich voller Schrecken, ehe er darangeht, die grauen Hautfetzen vorsichtig von seinem zunehmend deformierten Körper zu waschen.«
    »Mann.«
    »Auf diese Weise macht die Krankheit ordentliche Fortschritte und hat schnell den ganzen Oberkörper befallen, einschließlich der Hände, was er durch die Schutzbehauptung löst, ihm sei so schrecklich kalt, dass er selbst im Haus einen dicken Pullover und Fäustlinge tragen müsse. Vor allem aber duldet er seine nette Freundin nicht mehr in seiner Nähe, lässt sogar durchblicken, sie habe ihm etwas Schreckliches angetan, nur was es ist, sagt er nicht – worüber sie nachts im Badezimmer weint, was er durchaus mitbekommt und was ihm das Herz bricht, denn er liebt sie ja so, doch ist da gleichzeitig seine Eitelkeit zweiten Grades, und wenn er ihr jetzt die Wahrheit sagt, kommt sie nicht nur dahinter, dass er nicht mehr der attraktive Mann ist, der er einmal war, sondern auch hinter seine Eitelkeit und seine verzweifelten Bemühungen, diese vor ihr zu verbergen, siehe die Gipsschiene, siehe den Pullover, siehe die Fäustlinge, und das muss er erst recht verhindern. Also steigert sich seine ablehnende Haltung ihr gegenüber noch, seiner Freundin gegenüber, die er doch liebt, und obwohl sie wirklich ein wundervolles Mädchen ist, das ihn aus tiefstem Herzen liebt, ist sie auch nur ein Mensch und wird nach und nach sauer, eher zum Selbstschutz, und sie begegnet ihm ihrerseits mit wachsender Gefühllosigkeit, sodass sich ihr Verhältnis nach und nach verschlechtert, was dem Mann das Herz bricht. Doch selbst hier kommt die Krankheit noch lange nicht zum Stillstand, im Gegenteil, sie hat den Hals erreicht, sodass sie sich selbst durch hohe Rollkragenpullover kaum noch verstecken lässt, und ist dabei, aufs Gesicht überzuspringen, die ersten schorfigen Stellen sind an der Nase bereits sichtbar, Vorboten bevorstehender Attraktionen, wie der Mann feststellt. Und so ziemlich am letzten Morgen, an dem sich sein wahrer Zustand noch geheim halten lässt, zugleich der Morgen nach einem fürchterlichen und extrem destruktiven Streit, bei dem seiner Freundin beinahe das Herz brach, an einem Morgen, an dem das Mädchen weinend im Badezimmer sitzt, an diesem Morgen verlässt der Mann in aller Stille das Bett, packt sich von Kopf bis Fuß ein und nimmt ein Taxi zu seinem Arzt.«
    »...«
    »Der Arzt ist natürlich entsetzt, dass der Mann nicht früher gekommen ist, und fragt sich, wo das Vertrauensverhältnis geblieben ist. Bedenklich stimmt ihn aber auch das Stadium, das die Krankheit inzwischen erreicht hat, und bei der Untersuchung schnalzt er immer wieder beeindruckt mit der Zunge und erklärt seinem Patienten, es sei fünf vor zwölf, danach käme auch die teuerste Therapie in der Schweiz zu spät, und dass also jede weitere Verzögerung zu irreversiblen Schäden führe, was zwar nicht den Tod, wohl aber ein Dasein mit degenerativen Veränderungen am Skelett und einem entstellenden Hautbild bedeute, und das bis an sein Lebensende. Der Arzt schaut den Mann eindringlich an und sagt, dass er ihn jetzt kurz allein lasse, damit er zu einer Entscheidung kommen könne. Der Arzt hält ihn nämlich für komplett irrsinnig, weil er nicht schon längst in der Schweiz ist. Also sitzt der Mann ganz allein und mit all seinen dicken Sachen in dem Behandlungszimmer und kriegt nicht nur eine Krise, dass es ihm das Herz bricht, sondern allmählich selber Angst vor seiner Eitelkeitsobsessionsobsession, doch diesmal gelingt ihm der Durchbruch, etwas plakativ symbolisiert durch den Sonnenstrahl, der durch das düstere Gewölk am Himmel bricht und genau auf den Mann im Behandlungszimmer des Arztes trifft, doch egal, er begreift auf einmal, dass das Wichtigste in seinem Leben seine wundervolle, nette Freundin ist, sie und ihre gemeinsame Liebe, und dass das das Einzige ist, was wirklich zählt, weswegen er sie auch sofort anrufen und ihr alles erzählen will, nicht zuletzt, damit sie gemeinsam seine gesamten Ersparnisse abheben können, damit er noch am selben Tag den Flieger in die Schweiz nehmen kann, und zum Teufel mit seiner Angst, er will
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