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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman
Autoren: Andrea Schacht
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mir bisher noch nicht viel von deinem Leben erzählt. Nur, dass du als Sport-Animateurinin Ferienclubs gearbeitet hast. Sag mal – dabei erwirbt man sich doch wohl nicht so grundlegende Kenntnisse über mittelalterliche Handschriften, oder?«
    »Nein. Dabei nicht.«
    Streng fuhr sie fort: »Anita, ich schätze mal, du hast die Schule so wie ich ungefähr mit achtzehn abgeschlossen, nicht wahr?«
    »Ja, habe ich.«
    »Was hast du danach gemacht?«
    »Meinen Segelschein.«
    »Anita?«
    »Ja?«
    »Beim Segeln hast du keine Stundenbücher analysiert.«
    »Nein, aber gesegelt bin ich.«
    »Und auf dem Surfbrett gestanden hast du auch und Beach-Volleyball gespielt und Mountainbike-Touren gemacht. Ja. Aber nicht nur, habe ich den Verdacht.«
    »Nein, nicht nur!«, sagte ich und senkte betrübt den Kopf.
    »Könnte es sein, dass du das lediglich in den Semesterferien getan hast?«
    »Mh.«
    »Schwester, mein! Du hast studiert, und irgendwie haben Stundenbücher dabei eine Rolle gespielt, nehme ich an!«
    Ich nickte und versuchte eine ausdruckslose Miene beizubehalten.
    »Mediävistik?«
    »Nein.«
    »Nein«, sagte Cilly plötzlich. »Dafür hat die zu viel Ahnung von arretinischer Keramik und römischen Plastiken. Rose, die hat Kunstgeschichte oder so was studiert. Wie meine Kunstlehrerin.«
    »Stimmt das?«
    »Ja. Das stimmt.«
    »Aha, daher dein weiser Rat beim Restaurieren alter Kirchenfenster. Das fängt an, Sinn zu machen. Du hast mir einen ganz schönen Bären aufgebunden.«
    »Ich hab dir gar nichts aufgebunden. Ich habe nur noch nicht alles von mir erzählt.«
    »Und wir haben nicht gefragt, Rose!«, fügte Cilly hinzu. »Siehst doch, sie ist bereit, Auskünfte zu geben.«
    Rose sah mich mit gerunzelter Stirn an und stellte dann in vorwurfsvollem Ton fest: »Spärliche Auskünfte. Magere Auskünfte. Jeden Wurm muss man ihr einzeln aus der Nase ziehen. Und ich sage dir eins, Cilly, die hat noch mehr Dreck am Stecken.«
    Ernsthaft nickte das Mädchen und zählte an den Fingern ab: »Mit achtzehn oder neunzehn hat sie angefangen zu studieren. Du hast für deine Glasschule drei Jahre gebraucht, aber die da war an der Uni. Sagen wir vier Jahre, denn sie ist ja nicht besonders doof.«
    »Wäre sie zweiundzwanzig gewesen. Seien wir gnädig – sie hat für ihre Magisterarbeit über römische Plastiken ein weiteres Jahr benötigt. Dann könnte sie dreiundzwanzig gewesen sein. Richtig?«
    »Falsch«, warf ich sanft ein. »Vierundzwanzig, und mittelalterliche Handschriften. Die Antiken im Rheinland waren das erste Nebenfach.«
    »Die hat noch ein Gebiet drauf!«, schnaufte Cilly. »Hat sie!«, grollte Rose. »Hat sie, und ich vermute, das es etwas mit dem Restaurieren zu tun hat.«
    »Ja, wegen der Scherben und so.«
    »Bekennst du, Anita?«
    »Ich bekenne.«
    »Und jetzt kommen wir zum Gipfel der Hinterhältigkeit, Cilly. Ich frage dich, was hat dieses Weib in denvier Jahren zwischen vierundzwanzig und achtundzwanzig getan?«
    »Ich war Surfen, Beach-Volleyball spielen, habe Strand-Aerobic betrieben und hin und wieder bei Shows getanzt.«
    »Klar, was man eben als Kunsthistorikerin so macht.« »Na ja, das mit dem Job im Antiquitätenhandel ist ziemlich schief gegangen.«
    »Ah, rausgeflogen, was?«
    »Das Handtuch geworfen. War nach einem knappen Jahr total überfordert.«
    »Um blausilbern gefärbten älteren Damen mit getrimmten Pudeln an der strassbesetzten Leine und Nerzhäschen um den Schultern nachgemachte Tiffany-Lampen zu verkaufen, bedarf es eben eines ganz besonderen Talentes, kann ich mir vorstellen.«
    »Eines, das mir ungefähr so liegt, wie dir das Singen.«
 »Kurz und gut – was war zwischen fünfundzwanzig
    und dem Zeitpunkt, als ich dich kennengelernt habe?« »Ehrlich, ich habe letztes Jahr in Ferienclubs ge
    jobbt.«
    »Bleibt immer noch ein Loch von gut zwei Jahren. Cilly, ich habe einen entsetzlichen Verdacht!«
    »Du auch? Meinst du, sie könnte im Kittchen gewesen sein?«
    Ich musste mir auf die Unterlippe beißen, um nicht zu lachen.
    »Vielleicht war sie auch verheiratet und hat heimlich drei Kinder in die Welt gesetzt.«
    »Oder hat Schwarzmarktgeschäfte mit Stundenbüchern und arretinischer Keramik betrieben.«
    »Oder sie versucht nach wie vor, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen.« Rose stand auf und baute sich in voller Höhe von einem Meter sechzig vor mir auf, stütztedie Arme in die Hüfte und grinste mich an. »Könnte ja auch sein, dass sie von der Universität noch nicht genug
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