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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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doch nicht auch für den Senat, oder?“
    Auf seinen Lippen erschien ein jungenhaftes Lächeln. „Ich bin nicht alt genug“, sagte er. Er hielt das Radio zwischen seinen bekleideten Beinen. Smith würde bald vorüberkommen. „Wie lange, schätzen Sie, werden wir brauchen, um bis zu diesem Ursprungspunkt zu kommen?“
    Sie verdrängte für einen Moment das Vorgefühl des herannahenden Todes und dachte nach. „Bei nur einem Fahrzeug und dem Verlust von drei Vierteln unserer Vorräte würde ich sagen: drei Wochen.“
    „Auf dem Rückweg werden wir hungrig sein.“
    „Wir werden’s überleben“, sagte sie, ein Lächeln niederkämpfend.
    „Wahrscheinlich.“ Er zuckte die Achseln. „Aber die einzige Erklärung, die mir für diesen Ursprungspunkt einfällt, ist die, daß das marsianische Leben noch zu jung ist, um sich nicht nur auf diese eine Gegend zu konzentrieren.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Dafür ist es schon zu weit entwickelt.“
    „Nicht unbedingt. Woher wollen wir das wissen? Ohne eine Ozonschicht und in einer Kohlendioxydatmosphäre kann die Mutationsrate geradezu phantastisch sein.“
    Ihre Gedanken kamen so klar, daß es sie verblüffte. „Die ersten Sonden fanden Hinweise auf Leben in einer Entfernung bis nach Elysium. Vielleicht ist die vermutete Zentralisierung nur eine Frage von Umweltbedingungen. Auf der Erde gibt es mehr Leben in Florida als auf Grönland. Vielleicht ist Hellas das Florida des Mars.“ Sie studierte den Chronometer an ihrem Handgelenk. „Es ist gleich soweit.“
    Er tat überrascht. „Smith schon?“
    „Hören Sie“, sagte sie schnell, „Sie werden es ihnen sagen, nicht wahr?“
    „Weil Kastor jetzt tot ist?“ Er schüttelte den Kopf. „Das finde ich eigentlich nicht fair. Er würde aussehen wie ein Narr, weil er es verheimlicht hat – wie ein Narr oder Schlimmeres.“
    „Aber er war ein Narr – und Schlimmeres.“
    „Nein. Ich habe darüber nachgedacht. Ich werde es ihnen sagen, aber nicht sofort. Ich will nicht den Ruf dieses Mannes ruinieren.“
    „Aber der Mann ist tot , verdammt!“
    „Es tut mir leid, Morgan.“
    „Aber Sie haben die Absicht, es ihnen später zu sagen? Sie werden keine albernen, dramatischen Spielchen spielen – wie Kastor?“
    „Nein, ich werde es ihnen sagen.“
    „Versprechen Sie’s.“
    Er schien verwirrt, aber er nickte. „Also gut, ich verspreche es.“
    All dies zwang sie zu der Erkenntnis, daß sie furchtbar allein war. Gab es sonst niemanden – Mann, Frau oder Tier –, der wirklich begriff, wie überaus winzig ein menschliches Wesen war? Dies war der Mars, verdammt noch mal, und hier gab es eingeborenes Leben! Wer konnte sich zu einer solchen Zeit und an einem solchen Ort über den Ruf eines toten Mannes Gedanken machen?
    Smiths Stimme kam hoch und schrill über das Radio. „… hier ist Fresno . Nixon Basis, hier ist Fresno .“
    Reynolds sagte: „Fresno , hier ist Hellas Basis. Paul, ich habe schreckliche Nachrichten. Colonel Kastor ist heute tödlich verunglückt.“
    „Oh nein“, sagte Smith.
    Loretta Morgan lächelte, verkniffen. Ihr verdammten Heuchler , dachte sie. Wenn der Zeitpunkt kam, würden sie dann auch um sie trauern?
     

 
4
     
    Bradley Reynolds hielt Loretta Morgan im Arm, die starr neben ihm lag. Draußen tobte der Wind um die Schutzeinheit und wirbelte riesige Sand- und Staubwolken auf, die das Tageslicht verfinsterten. Reynolds wußte, daß der alljährliche Große Marsstaubsturm von der nordöstlichen Noachis-Region ausging, wo diese an das Becken von Hellas grenzte. Dieser Sturm entwickelte sich zwar langsam, umringte aber schließlich den ganzen Globus des Mars. Gelegentlich reichte er bis in die nördliche Hemisphäre hinauf und bedeckte dann die gesamte Oberfläche des Planeten. Smiths Angaben zufolge war dieser Sturm hier in ähnlicher Weise in Noachis als eine weiße, etwa zweihundert Kilometer lange Wolke entstanden. Jetzt war er viel größer, aber es war noch nicht der Große Sturm. Der würde erst im Frühjahr kommen. Morgan sagte, sie glaube, dieser Sturm sei nur der Mars, der sich nach Flöhen kratze. Wenn man ihren seltsamen Humor einmal beiseite ließ, so hatte der Sturm sie tatsächlich in ihrem Zelt festgenagelt und bewegungsunfähig gemacht, und das jetzt schon seit Wochen. Smith berichtete, daß der Sturm nachzulassen schien. Mit dem Kriechfahrzeug war der Ursprungspunkt des marsianischen Lebens (falls es einen solchen Punkt gab, erinnerte Reynolds sich) noch eine ganze
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