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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch
Autoren: M.j. Rose
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unweit des Praters, mitten im jüdischen Getto gelegen. Zwei Gründe waren für diese Wahl ausschlaggebend: Zum einen wollte man den zahlreichen jüdischen Mitgliedern entgegenkommen. Und zum anderen sollten Neugierige ferngehalten werden. Dem Architekten wurden zwei Dinge zur Auflage gemacht: Der Bau durfte nicht über Gebühr Aufsehen erregen, und er musste über mindestens einen geheimen Einsowie Ausgang verfügen.
    Jeremy betrat nun das Allerheiligste, den riesigen, von Säulen gesäumten Sitzungssaal. Eine Darstellung des altägyptischen Mythos von Isis und Osiris zog sich über sämtliche Wände; den Fußboden bedeckte ein Teppich in Schmucksteinfarben. Die kuppelförmige, kobaltblau gestrichene Decke glich einem Nachthimmel, an dem unzählige Sterne funkelten – winzige Spiegel, die das von unten kommende Licht reflektierten. Jeder Winkel des Saals war vollgestopft mit schimmernden spirituellen Kultobjekten und Gegenständen. Jeremy indes hatte für sie keinen Blick, sondern eilte energischen Schrittes auf die Bibliothek zu, wo die von ihm telefonisch einberaumten Mitglieder des Verwaltungsrates warteten.
    “Guten Abend”, grüßte Fremont Brecht und legte die Zeitung nieder. In einem Clubsessel thronend, hinter sich Tausende ledergebundener Bände, gab der ehemalige österreichische Verteidigungsminister und jetzige Vorsitzende der Gesellschaft eine imposante Figur ab.
    Nur wenige Vereinsmitglieder begrüßten Brecht so herzlich wie Jeremy. Das lag daran, dass Meers Vater sich so schnell nicht einschüchtern ließ. Respekt hatte er höchstens vor Rätseln, für die er keine Erklärung fand.
    “Schaffen wir’s noch rechtzeitig ins Konzert, oder dauert dieses Treffen länger?”, wollte Brecht wissen.
    “Müssten wir eigentlich hinkriegen. Außerdem habe ich den Wagen dabei.”
    “Gut, denn ich habe extra einen Termin abgesagt. Und nach dem ganzen Hickhack würde ich Beethovens Kaiserkonzert nur ungern verpassen.” Er wies quer durch den langen Saal auf eine dunkelhaarige Frau mittleren Alters, die an einem Spieltisch saß und eifrig Notizen machte. “Erika wartet schon auf uns.” Für seine achtundsiebzig Jahre erstaunlich agil, stemmte Fremont Brecht seine gut einhundertvierzig Kilo Lebendgewicht aus dem Sessel, als wäre es nichts. Lediglich ein leichtes Nachziehen des Beins beim Gehen deutete auf sein fortgeschrittenes Alter und seine offenbar reichhaltige Ernährung hin.
    Auf einem in eine Nische eingebauten Säulensockel stand eine aus Quarz gefertigte koptische Urne, die im Lichtkegel eines Strahlers in allen Regenbogenfarben schillerte. In einem Gotteshaus hätte man ein solch kostbares Kleinod vermutlich in einem vergoldeten Schrein ausgestellt, doch für die Memoristen stellte es nichts Besonderes dar. Für sie verhieß solch eine Reliquie keine übernatürliche Macht, und folglich war von ihr keine wundertätige Wirkung zu erwarten. An diesem Abend jedoch fixierte Jeremy den Behälter, als könne er durch die Alabasterwände die auf dem Gefäßboden liegenden Staub-und Aschenreste sehen.
    “Geht es bei diesem Treffen etwa um unseren Maulwurf?”, fragte Dr. Erika Aldermann, zu der die beiden Männer sich nun setzten. Misstrauisch ließ sie den Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen durch den Saal schweifen, als hielte sie Ausschau nach einem unbefugten Eindringling.
    “Das nicht”, antwortete Jeremy, “aber ich glaube, was ich Ihnen zu sagen habe, wird Sie genauso interessieren. Eventuell noch mehr.”
    Dr. Aldermann galt als eine der renommiertesten Parapsychologinnen Mitteleuropas. Sie vertrat die Ansicht, dass ein Zusammenhang zwischen Wiedergeburt und Nahtoderfahrung bestand. Und sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass ihre von den Memoristen geförderte Forschung auf diesem Gebiet in wissenschaftlichen Kreisen endlich ernst genommen wurde. Mochten sechzig Prozent der Weltbevölkerung getrost an Vorlebenserfahrungen glauben – für das wissenschaftliche Establishment war das nicht relevant; man begegnete solchen Forschungen nicht nur mit Argwohn, sondern mit Geringschätzung. In jüngster Zeit hatte Erika Aldermann zwar einige Fortschritte erzielt, jedoch hegte sie den Verdacht, dass sie von einem Insider aus der Gesellschaft ausgespäht wurde. In der Presse kursierten nämlich schon zum zweiten Mal in diesem Jahr Gerüchte und Berichte, in denen man sich über ihre Forschungsarbeiten mokierte. Seitdem löcherte sie Fremont Brecht permanent mit der Forderung, er
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