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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens
Autoren: Christian Jacq
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des Osiris eingeweiht, und sie waren einander vertraut und hielten unwiderruflich zusammen. Wie ihre Vorgänger auch, waren sie zu völligem Stillschweigen verpflichtet und widmeten ihr Leben der Größe und dem Glück Ägyptens, die eben gerade von der genauen Überlieferung der Osiris-Verehrung abhängig waren.
    Hier an diesem Ort bot man dem Tod die Stirn. Hier ließ man, wie es eine Inschrift auf den königlichen Pyramiden des Alten Reichs behauptete, den Tod sterben. Der Goldene Kreis von Abydos trug die übernatürliche Dimension der Zwei Länder, in denen das Volk der Erkenntnis lebt.
    »Wenn die Akazie stirbt, werden die Mysterien nicht mehr gefeiert«, sagte Sesostris. »Dann versiegt der Lebenssaft, der durch den großen Körper Ägypten kreist, und die Ehe zwischen Himmel und Erde wird geschieden. Deshalb müssen wir ohne Unterlass nach der Ursache des bösen Zaubers suchen, dessen Urheber vielleicht der Provinzfürst Chnum-Hotep ist.«
    »Wie könnt Ihr noch daran zweifeln, Majestät?«, fragte General Nesmontu. »Nachdem die Unschuld der anderen erwiesen ist, bleibt ja nur noch er übrig!«
    »Ich will aus seinem eigenen Mund hören, welche Gründe er für diese verabscheuungswürdige Untat hat. Wir müssen ihm die Schlacht liefern und ihn lebend bekommen. In dieser schlimmen und überaus gefährlichen Zeit ist die Einheit des Landes wichtiger denn je. Unsere Uneinigkeit hat uns erheblich geschwächt. Das ist auch einer der Gründe, weshalb diese üble Macht überhaupt zu Osiris’ Baum gelangen konnte – obwohl dessen kosmischer Leib aus der Gesamtheit der vereinten himmlischen und irdischen Provinzen besteht.«
    »Die Machtworte, die in Abydos ausgesprochen werden, bekommen noch immer einen gewogenen Widerhall der Gottheiten«, sagte der Kahle. »Und die Bruderschaft der ständigen Priester erfüllt ihre Aufgaben nach wie vor unnachgiebig streng.«
    »Und wenn einer der Priester ein Mittäter wäre?«, wagte Senânkh zu fragen.
    »Das ist eine Vermutung, die sich nicht vollkommen ausschließen lässt«, bedauerte der Kahle. »Aber es gibt keinerlei Hinweise, die darauf hindeuten.«
    »Bitte vergebt mir die Frage, Majestät«, sagte Sehotep mit ernster Miene, »aber ich muss sie stellen: Falls Ihr im Kampf gegen Chnum-Hotep fallen solltet, wer wird dann Euer Nachfolger?«
    »Dann übernimmt die Königin vorübergehend die Regentschaft, und die Überlebenden unter uns wählen einen neuen Monarchen. Das Entscheidende ist jetzt aber, ein Mittel zur Heilung der Akazie zu finden. Bisher war die Suche nach dem Gold erfolglos. Also müssen wir unsere Anstrengungen vervielfachen.«
    »Die Wüste zu erforschen, zu den Bergwerken zu gelangen und von dort das heilende Metall zu holen, braucht sehr viel Zeit«, gab General Sepi zu bedenken. »Und ich will gar nicht von den Gefahren einer solchen Reise reden.«
    »Jeder von uns wird unmenschliche Aufgaben erfüllen müssen«, entgegnete Sesostris. »Wie gefährlich und wie schwierig sie auch immer sein mögen, lasst uns schwören, dass wir niemals aufgeben.«
    Alle schworen es.
    »Jetzt ist es an der Zeit, unsere Schülerin auf dem Weg der Mysterien ein Stück weitergehen zu lassen«, erklärte die Königin. »Sicher ist sie noch nicht bereit, die letzte Tür zu öffnen, und es wäre ebenso überflüssig wie gefährlich, ihre Ausbildung zu überstürzen. Doch sie muss jetzt einen neuen Schritt auf dem Weg zum Goldenen Kreis unternehmen.«
     
     
    Die junge Priesterin verneigte sich vor dem Pharao.
    »Folge mir.«
    In tiefster Nacht betraten sie eine Kapelle, die von Fackeln beleuchtet wurde. In der Mitte stand ein Heiligtum aus vier Löwen, die sich den Rücken zuwandten. In dem kleinen hohlen Denkmal steckte ein Djed-Pfeiler, dessen Spitze verhüllt war.
    »Dies ist der ehrwürdige Pfeiler, der den Ursprüngen des Lebens erschienen ist. In ihm ist Osiris, der Sieger über das Nichts, wieder auferstanden. Er, das Wort und der Geist, wurde angegriffen, ermordet und zerstückelt. Indem er aber einigen Wesen die Initiation übermittelt hatte, konnten sie die verstreuten Teile der Wirklichkeit aufsammeln und das kosmische Wesen wieder auferstehen lassen, aus dem jeden Morgen aufs Neue Ägypten wiedergeboren wird. Es gibt keine wichtigere Befähigung als diese, und du wirst ihre vielfältigen Teile beherrschen müssen. Kannst du sehen, was im Verborgenen ist?«
    Die Priesterin betrachtete das Heiligtum und wusste, dass sie jetzt nicht untätig bleiben durfte. Einen
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