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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition)
Autoren: Stephen L. Jones
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wehtun.»
    Hannah wappnete sich innerlich, während Nate es irgendwie fertigbrachte, sich nach vorn zu lehnen und sich aus dem Wagen in ihre Arme fallen zu lassen. Es kostete sie all ihre Kraft, ihn festzuhalten, und all ihre Nerven, um seinen Schrei zu ignorieren. «Gut. Gut so, Nate. Das ist der schwierige Teil. Nur noch ein paar Schritte, okay?» Hannah warf einen Blick auf den Rücksitz und ihre schlafende Tochter.
    Neun Jahre alt. Wie konnte das passieren mit uns?
    «Leah, Liebes – ich komme gleich zurück und hole dich.» Sie versetzte der Beifahrertür einen Tritt und schloss das kleine Mädchen im Wagen ein, wo es sicher war vor dem Sturm.
    Dann führte sie Nate, den Arm über ihre Schulter gelegt, ins Haus und in die Küche, wo das Feuer den Raum bereits ein wenig erwärmt hatte.
    «Sofa», stöhnte er undeutlich.
    «Genau dorthin wollen wir.» Behutsam ließ sie ihn auf das Sofa sinken und schob ihm ein Kissen unter den Kopf. Dann legte sie seine Beine hoch. «Ich muss die Wunden ansehen.»
    Nates Hände fielen von den Seiten. Sie öffnete seine Jacke und riss das Hemd auf, und Knöpfe sprangen durch die Luft. Sein Oberkörper glänzte nass und rot vor Blut.
    Sofort sah sie die beiden Stichwunden, jede zweieinhalb Zentimeter lang. Eine saß unmittelbar unter der untersten Rippe. Sie konnte nicht feststellen, ob seine Lunge durchbohrt war, konnte sich nicht aus dem Biologieunterricht erinnern, wie tief die Lunge im Brustkorb reichte. Die zweite Wunde saß noch tiefer, in seinem Unterleib.
    Hannah holte den Erste-Hilfe-Kasten – eine grüne Plastikschachtel – vom Schrank. Sie löste den Verschluss, klappte den Deckel auf und kramte durch den Inhalt. Sie fand Reinigungstücher und begann unverzüglich damit, die Wunden zu säubern. Innerhalb Sekunden sickerte neues Blut aus den Einstichen. Wenigstens floss es nicht mehr in Strömen – auf der anderen Seite hatte er bereits eine Menge Blut verloren. Sie fand einen Beutel mit Wundverschlusspflastern und tat ihr Bestes, um die Wunden zu verkleben. Anschließend legte sie polsterndes Vlies darauf und bandagierte seinen Rumpf fest, indem sie die Binden unter seinem Rücken hindurchzog.
    Es würde ihn nicht retten, so viel wusste sie. Nur professionelle medizinische Versorgung war noch dazu imstande. Wenn überhaupt.
    Mit einer Decke von einem der Sessel deckte sie ihn zu. «Nate, du musst wach bleiben, okay? Wir müssen Flüssigkeit in dich hineinbringen.»
    Er nickte. «Ich liebe dich», flüsterte er.
    Er liegt im Sterben.
    Hannah wandte sich von ihm ab und wischte sich die Augen. Sie war außerstande zu antworten. Am Spülbecken fand sie ein Glas und füllte es mit Wasser. In einem der Schränke stand ein Paket Zucker. Sie schüttete etwas davon in das Glas und rührte mit einem Löffel, bis er sich gelöst hatte. «Hier, trink das.» Sie hielt ihm das Glas an die Lippen und hob seinen Kopf, während er den Inhalt schlürfte.
    Er trank zwei ganze Gläser, bevor er anzeigte, dass er genug hatte. Dann atmete er zitternd ein. «Han … im Flur. Schrank.» Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum hören konnte. «Ausrüstung … für den See.»
    «Was für eine Ausrüstung, Nate? Wovon redest du?»
    «Tauchgerät.»
    Hannah runzelte die Stirn, dann wurde ihr klar, was er meinte. Sie eilte nach draußen in den dunklen Flur. Im Lichtschein der Maglite fand sie den Schrank unter der Treppe. Im Innern stand, zwischen Mänteln, Overalls, Hüten und anderen Kleidungsstücken, eine Pressluftflasche mit Druckregler und Lungenautomat. Sie richtete den Lichtstrahl auf den weißen Metallzylinder. Stellenweise war Farbe abgeplatzt. Auf der Seite stand in schwarzer Druckschrift NITROX  – sauerstoffangereichert. Auf einem handgeschriebenen Aufkleber darüber: MOD   28 M – 36 % O 2 .
    Sie klopfte mit dem Knöchel gegen die Flasche, kippte sie leicht zur Seite. Voll.
    Die angereicherte Luft würde Nate beim Atmen helfen und seinen Kreislauf mit mehr Sauerstoff versorgen. Vielleicht gewannen sie dadurch etwas Zeit. Mit neuer Hoffnung erfüllt, zog sie die schwere Flasche hinter sich her in die Küche, befestigte den Automaten und drückte ihn in Nates Mund. «Okay, du gewinnst sicher keinen Schönheitspreis damit, aber atme einfach, hörst du? Schön langsam und gleichmäßig.»
    Er war zu schwach zum Antworten, doch er hielt den Augenkontakt mit ihr aufrecht. Hannah spürte tausend Dinge, die in diesem Blick zwischen ihnen hin und her gingen. Sie nahm seine
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