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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition)
Autoren: Stephen L. Jones
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rechte Hand und packte sie wie eine Keule. Ihr Zeigefinger schwebte über dem Schalter. In ihren Ohren hörte sie ihr eigenes Blut durch die Arterien rauschen.
    Sie verlassen sich auf dich. Nate und Leah. Du bist ihre einzige Chance.
    Langsam, ganz langsam drehte sie sich um.
    Hinter dem Kiesweg befand sich ein verwilderter Küchengarten. Am Ende des Gartens, hinter einem Lattenzaun, lagen die zur Farm gehörigen Felder. Sie sah das Getreide im Wind schwingen. In der Ferne die Silhouetten von Berggipfeln.
    Zwischen ihr und dem Garten, nur ein paar Meter entfernt, stand etwas Großes auf dem Weg. Sie konnte es in der Dunkelheit nicht genau erkennen, doch es war riesig. Viel größer als sie selbst.
    Hannah vernahm ein dunkles Grunzen. Ein Schnauben.
    Was immer es war, es war näher bei ihr als beim Wagen. Sie duckte sich angespannt und betätigte den Schalter.
    Gefangen im blendenden Lichtschein der Taschenlampe, eingetaucht in grelles Licht stand der größte Hirschbock, den Hannah jemals gesehen hatte. Er hatte ein rötlich-braunes Fell, dunkler am Hals, und ein Geweih mit zahlreichen spitzen Enden. Zwei schwarze, feuchte Augen musterten sie, und Hannah war wie gebannt von ihrem Blick.
    Die Lampe hatte das Tier erschreckt, so viel war offensichtlich. Sie sah, wie die Muskeln an seiner Flanke zuckten und sich zusammenzogen, doch aus irgendeinem Grund floh der Bock nicht. Stattdessen machte er einen Schritt zur Seite und hob die Nase, um prüfend die Luft einzusaugen. Er stand sekundenlang völlig reglos, dann neigte er den Kopf zur Seite.
    Hannah bemerkte, dass sie den Atem angehalten hatte. Das Tier war stark genug, um sie aufzuspießen. Sie sah, wie sich die Muskeln des Bocks spannten, und verkrampfte sich. Das Tier bewegte den Kopf leicht zur Seite, nach rechts, und musterte Hannah mit einem einzelnen glänzenden Auge.
    Dann sprang der Bock so unvermittelt los, dass sie fast erschrocken aufgeschrien hätte, und war mit drei langen Sätzen verschwunden. Kies wirbelte durch die Luft.
    Hannah starrte in die Dunkelheit, wie hypnotisiert von dem, was sie soeben gesehen hatte. Es war ein Rothirsch gewesen. Sie hatte nicht gewusst, dass es in Snowdonia überhaupt noch Rotwild gab.
    Sie tat den Gedanken ab und konzentrierte sich stattdessen wieder auf Nate. Sie wandte sich zum Farmhaus, öffnete die Tür und betrat die Küche. Ein schneller Schwenk mit der Taschenlampe zeigte einen großen Raum mit einem unebenen, mit großen Steinplatten gefliesten Boden. Einen Kamin. Ein Sofa und zwei Sessel. Küchenschränke mit Glasfronten über staubigen Arbeitsflächen. Zwei Anrichten – eine gefüllt mit Geschirr, während die andere von Taschenbüchern geradezu überquoll, dazu Angelrollen, Kerzen, Päckchen mit Saatgut, Streichhölzer, ein Erste-Hilfe-Kasten. Am Fenster ein runder Tisch. Eine Tür, die in einen unbeleuchteten Hausflur führte.
    Hannah entdeckte einen Lichtschalter an der Wand neben der Tür und legte ihn um. Nichts. Sie erinnerte sich, dass Nate ihr einmal erzählt hatte, dass das Haus zu abgelegen war, um ans öffentliche Stromnetz angeschlossen zu sein. Irgendwo in einem der Außengebäude gab es mit Sicherheit einen Generator. Er musste warten, und mit ihm die elektrische Beleuchtung.
    Sie nahm eine Schachtel Streichhölzer, kniete neben dem Kamin nieder und legte die Maglite neben sich auf den Boden. Jemand hatte Späne und Holz auf dem Rost aufgeschichtet und alles vorbereitet, und so dauerte es keine Minute, bis ein Feuer im Kamin brannte. Sie nahm zwei Kerzen von der Anrichte und zündete sie an. Eine stellte sie auf den Tisch, die andere auf die Arbeitsfläche. Später würde sie weitere Kerzen anzünden, doch zuerst musste sie ihren Mann ins Haus schaffen.
    Draußen war der Wind noch stärker geworden. Gefrorene Luft wehte von den Bergen herunter und brachte eisige Kälte mit sich. Hannah zog den Kopf ein und eilte geduckt zur Beifahrerseite des Discovery. Sie riss die Tür auf.
    Nate saß zusammengesunken, die Haut weiß wie ein Bettlaken. Er hatte das Bewusstsein verloren.
    «Hey!» Sie schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht, und es gelang ihr, ihn zu wecken. Er richtete sich in seinem Sitz auf, und sie erkannte, dass er versuchte, klar zu sehen, doch er konnte seinen Blick nicht fokussieren. «Ich habe dich, Nate, okay? Versuch nicht zu reden. Es ist nur ein kurzer Weg. Ich hab Feuer gemacht. Du musst mir nur ein bisschen für die nächsten paar Schritte helfen. Ich fürchte, es wird ein wenig
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