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Der Augenjäger / Psychothriller

Der Augenjäger / Psychothriller

Titel: Der Augenjäger / Psychothriller
Autoren: Sebastian Fitzek
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Ende saß ich zwar wie geplant auf dem Dachboden, hatte Frank in meiner Gewalt, der genau das sagte, wozu ich ihn zwang, doch ich hatte mein Druckmittel nicht mehr zur Hand. Solange Frank befürchtete, ich könnte den Jungen erschießen, hat er sich immer an den Text gehalten. Aber sein eigenes Leben war ihm anscheinend nicht so wichtig. Deshalb hat er sich getraut, mich anzugreifen. Als du die Kamera entdeckt hast und ich für eine Sekunde abgelenkt war, hat der Junkie doch tatsächlich nach meiner Waffe gegriffen und mir damit in den Magen geballert.«
    »Leider nicht in dein Herz«, spie ich ins Telefon.
    »Hey, ich sagte doch schon: Die Sauerei tut mir leid. Aber so ist es nun mal im Leben. Es ist wie im Spiel. Man kann noch so sehr planen. Am Ende entscheidet der Zufall, wie man ans Ziel kommt. Und genau da bist du doch jetzt, oder nicht? Oh ja, Zorbach. Du bist genau dort, wo ich dich haben wollte.«
    Das waren die letzten Worte, die ich in meinem Leben von Mike Scholokowsky hören sollte. Er legte auf. Einfach so. Meine Bestrafung war abgeschlossen.
     
    Damals, als ich bei minus vierzehn Grad auf den Stufen vor dem Martin-Luther-Krankenhaus liegend auf ein weiteres Wort von ihm wartete, fühlte ich mich gleichzeitig zu Tode erschöpft und aufgeputscht. Euphorisiert durch die Tatsache, dass Julian noch lebte, und verzweifelt über Franks Tod, den ich zu verantworten hatte. Ich betrauerte die Opfer und freute mich so sehr über die Überlebenden.
    All diese widerstreitenden Emotionen kämpften in mir.
    Ich fühlte Hände, die mich herumrissen, mir auf den Bauch drückten und die Arme verdrehten. Spürte, wie ich nach Waffen abgesucht und in Gewahrsam genommen wurde.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange ich zuvor noch stumm das Handy umklammert gehalten und in den Berliner Nachthimmel gestarrt hatte.
    Manchmal denke ich, mein Telefonat mit Scholle hat niemals aufgehört, und ich ertappe mich noch heute dabei, wie ich in Selbstgesprächen mit ihm telefoniere und ihm androhe, ihn zu finden und zu töten, so wie er die Welt und fast alles, was mir darin jemals wichtig gewesen war, auf ewig ausgelöscht hat.

Letztes Kapitel
    E tliche Monate später. Weihnachten. Julian und ich schmücken den Baum. Er ist noch nicht ganz der Alte, aber die Therapie bei Dr. Roth bekommt ihm gut, und die Verluste haben uns näher zusammengebracht, so wie Kriegsveteranen, die durch die Hölle gegangen sind und zwischen denen jetzt ein unzertrennbares Band geknüpft ist.
    Es klingelt an der Tür. Alina. Sie ist blass. Noch heute sieht man ihr die schweren Verletzungen an, die sie nur durch ein Wunder überlebt hat. Die Rettungskräfte hatten schon wieder gehen wollen, als der Schuss fiel und sie sich, davon alarmiert, gewaltsam Zutritt zu Iris’ Wohnung verschafften.
    John ist bei Verwandten in den USA , und Alina weiß nicht, wo sie die Feiertage verbringen soll. Ich schließe sie in die Arme, TomTom springt an mir hoch.
    Sie hat Julian ein Geschenk mitgebracht. Ein gerahmtes Foto von Frank, den die Ärzte in allerletzter Sekunde zurückholen konnten.
Unkraut vergeht nicht,
steht unter der Aufnahme, die der Chirurg nach der dritten und erfolgreichen Notoperation geschossen hat.
    Ich bekomme auch ein Geschenk von Alina. Ebenfalls ein Foto, aber schwarzweiß und körnig.
    Ultraschall.
    Tränen laufen mir die Wangen herunter. Es muss in der einzigen Nacht geschehen sein, in der wir miteinander schliefen, bevor wir die Zwillinge befreiten, nur wenige Stunden vor Julians Entführung. Ein doppeltes Wunder nach Iris’ Messerstich. Als Julian das Ultraschallfoto betrachtet, wandert ein Lächeln über seine Lippen.
    Wir sitzen schweigend am gedeckten Tisch, halten uns an den Händen, TomTom zu unseren Füßen, und auf einmal fühlen wir uns nicht länger wie Kriegsveteranen, die eine gemeinsame Schlacht überlebt haben, sondern wie Mitglieder einer langsam zusammenwachsenden Familie …
     
    Ist es
das,
was Sie von mir hören wollen? Gehen Sie ins Kino.
     
    In meiner Realität gibt es keine Weichzeichner. Mein Leben hat sich noch nie an die Gesetze Hollywoods gehalten. In Wahrheit hat mein Sohn die letzten neun Monate kein einziges Wort mit mir gesprochen. Kein »Hallo«, wenn ich ihm morgens seine Cornflakes hinstelle, kein »Tschüs«, wenn ich ihn an der Schule absetze, in die er seit kurzem wieder geht, wenn auch nur für drei Stunden am Tag. Länger kann er sich nicht konzentrieren.
    Dr. Roth sagt, er macht Fortschritte, und tatsächlich
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