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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber
Autoren: Daniel Silva
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kleineres Gemälde, das einen alten Mann, eine junge Frau und ein Kind zeigte. Peel konnte die Signatur in der rechten unteren Bildecke entziffern: Rembrandt.
    Er wandte sich ab, um zu gehen, und stand unerwartet dem Fremden gegenüber.
    »Was machst du hier?«
    »Tttut mir leid«, stotterte Peel. »Ich dachte, Sie wären hier.«
    »Nein, das stimmt nicht. Du hast gedacht, ich sei fort, weil du mich von deinem Fenster aus beobachtet hast, als ich weggefahren bin. Tatsächlich hast du mich den ganzen Sommer  lang beobachtet.«
    »Ich dachte, Sie könnten ein Schmuggler sein.«
    »Was hat dich auf diese Idee gebracht?«
    »Das Boot«, stammelte Peel.
    Der Fremde lächelte flüchtig. »Jetzt kennst du die Wahrheit.«
    »Eigentlich nicht«, gab Peel zu.
    »Ich bin Restaurator. Ich stelle Kunstwerke wieder her. Alte  Gemälde müssen manchmal etwas renoviert werden - wie beispielsweise ein Haus.«
    »Oder ein Boot«, sagte Peel.
    »Genau. Manche Gemälde - wie diese hier - sind sehr wertvoll.«
    »Wertvoller als ein Segelboot?«
    »Viel wertvoller. Aber da du jetzt weißt, was hier steht, haben wir ein Problem.«
    »Ich erzähl's nicht weiter«, versprach Peel. »Ehrenwort!«
    Der Fremde fuhr sich mit einer Hand über seinen Bürstenhaarschnitt. »Ich könnte einen Helfer brauchen«, sagte er halblaut. »Jemand, der ein bißchen aufs Haus aufpaßt, wenn ich weg bin. Würde dir dieser Job gefallen?«
    »Ja.«
    »Ich gehe jetzt segeln. Willst du mitkommen?«
    »Ja.«
    »Mußt du nicht erst deine Eltern fragen?«
    »Er ist nicht mein Vater, und meiner Mum ist's egal.«
    »Weißt du das bestimmt?«
    »Ganz sicher.« »Wie heißt du?« »Ich bin Peel. Und wie heißen Sie?« 
    Aber der Fremde sah sich nur in seinem Atelier um, als wolle  er sich vergewissern, daß Peel nichts von seinen Sachen durcheinandergebracht hatte.

2 Paris
    Die ruhelose Quarantäne des Fremden in Cornwall wäre vermutlich nicht unterbrochen worden, hätte Emily Parker nicht bei einer feuchtfröhlichen Abendeinladung, die von einer jordanischen Studentin namens Leila Chalifa an einem regnerischen Abend Ende Oktober gegeben wurde, einen Mann namens René kennengelernt. Wie der Fremde lebte Emily Parker im selbstgewählten Exil sie war nach ihrer Graduierung in der Hoffnung nach Paris gegangen, dort werde ihr gebrochenes Herz heilen. Sie besaß jedoch keinen der körperlichen Vorzüge des Fremden. Ihr Gang war schlaksig und chaotisch. Ihre Beine waren zu lang, ihre Hüften zu breit, ihre Brüste zu schwer, so daß jeder Teil ihres Körpers mit dem Rest in Konflikt zu geraten schien, wenn sie sich bewegte. Ihre Garderobe war wenig abwechslungsreich: verwaschene Jeans, an den Knien modisch zerschlissen, und eine Daunenjacke, in der sie wie ein großes Sofakissen aussah. Und dazu kam ihr Gesicht - das Gesicht einer polnischen Bauersfrau, hatte ihre Mutter immer gesagt: Pausbacken, volle Lippen, markantes Kinn, glanzlose, zu dicht beisammenstehende graublaue Augen. »Ich fürchte, du hast das Gesicht deines Vaters geerbt«, hatte ihre Mutter gesagt. »Das Gesicht deines Vaters und das verletzliche Herz deines Vaters.«
    Emily lernte Leila Mitte Oktober im Musée de Montmartre kennen. Sie war Studentin an der Sorbonne, eine atemberaubend attraktive Frau mit glänzend schwarzer Mähne und großen braunen Augen. Leila war in Amman, Rom und London aufgewachsen und sprach ein halbes Dutzend Sprachen fließend. Sie war alles, was Emily nicht war: schön, selbstbewußt, eine Kosmopolitin. Schon nach kurzer Zeit vertraute Emily ihr alle ihre Geheimnisse an: ihre Komplexe, weil ihre Mutter ihr immer das Gefühl vermittelt hatte, häßlich zu sein; ihren Schmerz, weil ihr Verlobter sie verlassen hatte; ihre tiefsitzende Angst, sie werde niemals wieder einen Mann finden, der sie liebte. Leila versprach ihr, alles in Ordnung zu bringen. Sie versprach, Emily mit einem Mann zusammenzubringen, der sie den Jungen, in den sie sich im College dummerweise verknallt hatte, vergessen lassen würde.
    Das geschah bei Leilas Abendeinladung. Sie hatte zwanzig Gäste in ihre enge kleine Wohnung in Montparnasse eingeladen. Alle aßen, wo immer sie Platz fanden auf der Couch, auf dem Fußboden, auf dem Bett. Alles sehr pariserisch unkonventionell: Brathähnchen von der Ròtisserie an der Ecke, Unmengen grüner Salat, Käse und entschieden zuviel preiswerter Bordeaux. Zu den Gästen gehörten weitere Studenten von der Sorbonne, ein bekannter junger deutscher Essayist, ein
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