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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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auch definiert werden könne, daß sie die Spionage überflüssig mache, wer etwas über einen feindlichen Panzer oder über die Wirksamkeit einer Panzerabwehrkanone habe wissen wollen, habe sich nur an ihn zu wenden brauchen, dank seiner habe sich der Krieg weitergefrettet, durch seine allzu mächtige Position sei aber die Administration wiederum auf ihn aufmerksam geworden, um die Organisation zu zerschlagen, habe sie sich mit ihm in Verbindung gesetzt, er gelte auf seinem Spezialgebiet als der größte Experte, man wolle ihn nicht zwingen, aber einige Senatoren – nun gut, er habe ihren Auftrag angenommen und nun beginne die Organisation zu zerfallen, die Fortdauer des Kriegs sei fraglich, daß man ihm von Seiten seiner alten Kollegen nun nachstelle und ihn, tauche er auf, beobachte, sei nur allzu natürlich, um so mehr als er zugebe, einige allzu subtile Informationen zurückgehalten zu haben.
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    Er schwieg, er hatte geredet und geredet und sie spürte, daß er reden mußte, daß er ihr erzählt hatte, was er vielleicht noch niemandem erzählt hatte, aber sie spürte auch, daß er ihr etwas verschwieg und daß, was er verschwieg, mit dem Grund zu tun hatte, weshalb er ihr sein Leben erzählte, er saß da, zurückgelehnt, die Beine auf dem Tisch, schaute vor sich hin, als ob er auf etwas wartete, und dann heulte es erneut heran, erneut ein Einschlag, ein Zerbersten, von der Decke rieselte es, dann Stille, sie fragte, was das gewesen sei, er antwortete, der Grund, weshalb sich niemand hierher wage, hinkte ins Labor, von oben senkte sich eine Treppe, sie stiegen hinauf und gelangten in einen kleinen flachkuppligen Raum, der sich über eine geschlossene Reihe kleiner Fenster wölbte, doch erst als sie neben ihm saß, bemerkte sie, daß die Fenster Monitoren waren, in deren einem sie die Sonne sinken sah und den Boden der Wüste sich öffnen, den Geländewagen auftauchen und sich selber auf dem Geländewagen sitzen, dann sah sie den rotgel-ben Streifen sich schließen, sah den Einbruch der Nacht, das Versinken des Geländewagens, die hereinbrechenden Sterne, etwas schoß heran, grelles Licht, der Monitor erlosch, nun Spezialzeitlupe, sagte er, das Gleiche noch einmal, ruckweise wurde es Nacht, ruckweise erschien der versinkende Geländewagen, ruckweise brachen die Sterne herein, ruckweise vergrößerte sich einer, ruckweise wuchs er kometenhaft an, ruckweise bohrte sich schlankes, weißglühendes Gebilde in die Wüste, explodierte ruckweise, schleuderte ruckweise Stein-brocken auf, vulkanartig, dann nur noch Licht, Dunkel, das sei die erste gewesen, die zweite vorhin sei näher explodiert, meinte Polyphem, die Genauigkeit nehme zu, und auf die Frage der F., was sie gesehen habe, antwortete er, eine interkontinentale Rakete, und in einem Monitor erschien das Bild 62

    der Wüste, das Gebirge, auch die Stadt, die Wüste kam näher, ein Fadenkreuz legte sich über das Bild, hier sei die Anlage, worin sie sich befänden, die F. und er, die Aufnahme stamme von einem Satelliten, dessen Umlaufzeit derart jener der Erde angepaßt sei, daß er immer über ihnen schwebe, darauf setzte er einen weiteren Monitor ein, alles automatisiert, wie er sagte, wieder die Wüste, am linken Bildrand ein kleines schwarzes Viereck, die Al-Hakim-Ruine, rechts oben die Stadt, am rechten Bildrand das Gebirge, immer noch die Wolke, ein blendendweißer Wattebausch, in der Bildmitte eine kleine Kugel mit Antennen, der erste Satellit von einem zweiten Satelliten beobachtet, um zu beobachten was dieser beobachte, damit schaltete er die Monitoren aus, hinkte zur Treppe, stieg hinunter ohne sich um sie zu kümmern, ging wieder zum Raum zurück, zum Tisch, nahm mit bloßen Händen Corned beef, setzte sich, lehnte sich zurück, legte die Füße auf den Tisch, sagte, bald komme die nächste, aß, erklärte dabei, würden im Krieg in der Wüste die modernen konventionellen Waffen getestet, so sei es für die strategische Konzeption beider Seiten notwendig, die Zielgenauigkeit der interkontinentalen, kontinentalen und der von atomaren Unterseebooten abgefeuerten Raketen zu überprüfen, das Funktionieren jener Waffensyste-me, die als Träger der Atom- und Wasserstoffbomben dienten, wodurch einerseits der Friede auf Erden erhalten werde, wenn auch auf die Gefahr hin, er und die Erde würden damit zu Tode gerüstet, indem entweder allzu sehr auf die Einschüchterung des andern oder auf den Computer oder auf eine Ideologie oder gar auf Gott vertraut
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