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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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auszutrinken und dich dann schleunigst zu verpissen. Und dich hier nicht noch mal blicken zu lassen.
    Es ist gar nicht schön, so etwas von einem alten Freund zu hören, sagte ich und trank einen Schluck Tee.
    Ich bin nicht dein Freund. Ein Verräter kann nie mein Freund sein.
    Du bist alt geworden, China, und pathetisch. Du glotzt viel zu viele von diesen indischen und chinesischen Seifenopern.
    Unglaublich, sagte er und überhörte meine Bemerkung, aber als mich der Kellner nach der Packung Dian Hong fragte, musste ich sofort an dich denken.
    So heruntergekommen bist du also, dass bei dir jetzt die Kellner den Tee zubereiten. Es gibt also keine chinesischen Teemeisterinnen und den ganzen Schnickschnack mehr, vielleicht ist eine Longjin-Zeremonie gefällig oder etwas Kung-Fu, oder wie nannte sich dieser ganze Schabernack doch gleich? Es scheint, als gingen die Geschäfte nicht wirklich prächtig.
    Er ignorierte mich. Ich blinzelte mit den Augen, nahm kleine Schlucke und roch am Tee, und es war mir egal, dass er neben meinem Tisch stand und darauf wartete, dass ich gehe. Ich wandte mich ihm erst wieder zu, als ich meinen letzten Schluck getrunken hatte.
    Ich vermute, dass du mir nicht sagen willst, wo ich Fraktalfrau und Gärtner finden kann?
    Er sah durch mich hindurch.
    Und die anderen, was ist mit ihnen?
    Du hast deinen Tee ausgetrunken und jetzt geh.
    Ich stand auf und fragte ihn:
    Läuft die Hummel auf Josip herum oder Josip auf der Hummel?
    Beim Verlassen des Teehauses hörte ich Madame Spirlea sagen:
    Ich habe den Tod nicht gesehen, hüte dich vor dem Reisen.
    Und wer bin ich?
    Nennt mich Van ˇ ca.
    Ich habe mich von dem Namen aus meinem Personalausweis verabschiedet, genauso wie ich mich vom sogenannten normalen Leben verabschiedet habe. Auch Hämorrhoiden werden zur Normalität, wenn der Mensch sich daran gewöhnt. Auch Paradontose. Auch Blutspucken. Auch das Wühlen im Müll.
    Wie ich schon sagte, werde ich von der Witwe bezahlt, einer reichen und verrückten Frau. Ihr Mann hat ihr Milliarden hinterlassen, die er in der ersten Privatisierungswelle zusammengerafft hat, und verrückt geworden ist sie, als er vor einigen Jahren ermordet wurde. Die Polizei beschäftigte sich nicht mit dem Fall, weil er außerhalb der Mauer getötet wurde, so dass sie eine Privatagentur engagierte, die nichts Besonderes unternommen hat, außer regelmäßig Rechnungen zu schicken. Dann wiesen ihre Bekannten bei der Polizei mit dem Finger auf mich.
    Warum?
    Weil ich die Mörder kenne.
    Wir werden ihn hundertprozentig ökologisch abmurksen, auch heute noch kann ich die Begeisterung in Gärtners Stimme hören, das wird die erste Öko-Exekution.
    Nicht alle von uns teilten seinen Enthusiasmus. Nicht dass mir an diesem Typen irgendetwas gelegen hätte. Was mich betraf, hätte er auch ruhig vor Durst verrecken können, aber nicht so, durch unseren Willen und durch unser Zutun. Außerdem war mir Gärtner so sympathisch wie Kopfschmerzen.
    Er kam als einer der Letzten dazu. Er tauchte Sylvester 2013 an der Tür auf und sagte, dass er gerne mitmachen wolle. Wir ließen ihn natürlich, jeder Mensch ist willkommen, wenn es um den Widerstand gegen die Holding geht, dafür war kein CV und kein Empfehlungsschreiben nötig, doch mir gefiel er – wie schon gesagt – auf den ersten Blick nicht, ich witterte Unglück in ihm.
    Auf jeden Fall konnte man ihm seine Entschlossenheit nicht absprechen. Wie damals, als wir die Wasserstelle besetzten und forderten, dass die Holding den Preis für Wasser nicht erhöht und dass Wasser für alle zugänglich bleiben muss. Obwohl wir damals nicht beabsichtigten die Einrichtung zu besetzen, sondern nur mit unseren Körpern den Eingang blockieren wollten, sprang Gärtner, ohne zu zögern, über den Zaun, gleich nachdem wir vor dem Eingang angekommen waren, und wir folgten ihm alle und besetzten die Anlage vor den Augen einiger verwirrten Wächter. Das war ausgezeichnet. Doch was soll man dazu sagen, dass er sich einige Monate später vor dem Hanshan einen Broker schnappte, der hierhergekommen war, um sich zu vergnügen, ihn zur Mülldeponie schleppte und umbrachte? Viele Menschen verließen in diesen Tagen die Ungenießbaren. Scheiße, sagten sie, das wollen wir nicht, wir wollen nicht bei einem Mord mitmachen, der Typ ist bestimmt ein Provokateur und Spitzel. Sie gingen einfach weg.
    Einige von uns waren geblieben, jeder hatte seine eigenen Gründe dafür gehabt. Ich war auch sicher, dass Gärtner ein
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