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Der Attentäter - The Assassin

Der Attentäter - The Assassin

Titel: Der Attentäter - The Assassin
Autoren: Andrew Britton
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verschlungen.

1
    Washington, D. C.
    Nach einem grauen Tag mit dichten, regenschwangeren Wolken senkte sich die Dämmerung über die Stadt. Ein schwarzer Lincoln Town Car fuhr schnell in südlicher Richtung über den George Washington Parkway, der dem Lauf des Potomac folgte. Auf dem Beifahrersitz saß Jonathan Harper, der auf die dunklen Fluten schaute, auf denen sich das gelbliche Licht der Straßenlaternen spiegelte, in Gedanken jedoch woanders war. Ihn beschäftigte, was er vor knapp vier Stunden in seinem Büro erfahren hatte. Folglich achtete er nicht auf die Nachrichten des Lokalsenders, die aus dem Lautsprecher des leise gestellten Autoradios an sein Ohr drangen. Als dann jedoch die Sprache auf das Thema kam, das auch ihn nicht losließ, beugte er sich vor und drehte den Ton lauter.
     
    In Bagdad wurden heute die Soldaten der amerikanischen Armee und die irakischen Sicherheitskräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Überall in der Stadt wurden zusätzliche Straßensperren errichtet, und das Außenministerium hat die bereits bestehende Reisewarnung aktualisiert. Diese Maßnahmen folgten dem Mordanschlag auf Nuri al-Maliki in der irakischen Hauptstadt. Um 12 Uhr 14 Ortszeit explodierten zwei Bomben, die den ersten und zweiten Stock des Bagdad Hotel, das direkt südlich der Internationalen Zone liegt, völlig zerstörten. Laut Botschaftsmitarbeitern hat der irakische Premierminister die nahezu zeitgleiche Explosion
der Bomben überlebt, aber man geht davon aus, dass sein Zustand kritisch ist. Vorläufige Schätzungen besagen, dass bis zu fünfundzwanzig amerikanische Zivilisten unter den Trümmern begraben und ums Leben gekommen sind, die meisten von ihnen Journalisten.
    Auf einer heute im Weißen Haus abgehaltenen Pressekonferenz verurteilte Präsident David Brenneman den Bombenanschlag und drückte den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Zugleich bekräftigte er seine Entschlossenheit, die Truppenpräsenz in der Region zu reduzieren. Dieser schrittweise Abzug amerikanischer Soldaten im Lauf von fünf Jahren ist ein wichtiger Faktor im Wahlkampf des Präsidenten, der in Kürze wiedergewählt werden will. Sein Plan, der zugleich vorsieht, den Irakern im nächsten April die Kontrolle über vier der achtzehn Provinzen des Landes zurückzugeben, wurde von führenden Demokraten bereits als zu zögerlich kritisiert. Trotzdem stellt sich angesichts des jüngsten Vorfalls die Frage, ob der Präsident nicht gezwungen sein könnte, sein den Familien der amerikanischen Armeeangehörigen gegebenes Versprechen zu brechen, was ihn mit größter Wahrscheinlichkeit im November die Wiederwahl kosten würde.
    Nun zu weiteren Nachrichten. Demonstrationen in Beirut fanden gestern ein plötzliches Ende, als …
     
    Harper schaltete das Radio aus. Der Nachrichtensprecher hatte ihm nichts Neues mitteilen können, was nicht weiter überraschend war. Er wusste mehr über die aktuelle Lage, als die Washingtoner Pressemeute je in Erfahrung bringen würde.
    Als stellvertretender Direktor der operativen Abteilung und Direktor des neu gegründeten National Clandestine Service teilte sich Jonathan Harper den dritten Platz in der Hierarchie
der CIA mit dem stellvertretenden Direktor der nachrichtendienstlichen Abteilung. Trotz seines hohen Postens hätte ihn nur eine Handvoll der Senats- und Kongressangehörigen auf der Straße erkannt, was auf einen einfachen Grund zurückging. Der Name und das Bild des stellvertretenden CIA-Direktors wurden in den Medien praktisch nie veröffentlicht. Eine Ausnahme hatte es nur gegeben, als Jim Pavitt im Jahr 2004 vor dem Untersuchungsausschuss zu den Ereignissen des 11. September aussagen musste. Selbst Harpers äußere Erscheinung schien ganz darauf angelegt, Anonymität zu wahren. Seine Frau scherzte oft, die konservativen Anzüge von Brooks Brothers seien ihr Geld kaum wert, da sie ihn innerhalb der gut gekleideten Elite von Washington fast unsichtbar machten.
    Natürlich hatte Harper dieses Image seit langer Zeit kultiviert, und zwar aus gutem Grund. Sein Talent, sich unauffällig im Hintergrund zu halten, hatte ihm in seinen Anfangsjahren bei der CIA mehr als einmal das Leben gerettet. Während der Achtzigerjahre war er fast die ganze Zeit Agentenführer in der damaligen Sowjetunion gewesen, und zugleich hatte er hochkalibrigen Systemgegnern via Weißrussland und Bulgarien die Flucht in den Westen ermöglicht. In jüngerer Vergangenheit hatte er Posten bekleidet, die besser zu seinem
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