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Der Atem des Rippers (German Edition)

Der Atem des Rippers (German Edition)

Titel: Der Atem des Rippers (German Edition)
Autoren: Martin Clauß
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Superintendenten an. Er hörte das Wort „Tasche“ heraus, und „mein Anteil“.
    „Mary“, sagte Alan Spareborne so ruhig wie möglich, doch seine Stimme zitterte plötzlich so sehr, dass er sich kaum zu artikulieren vermochte. „Mary, du musst dich jetzt entscheiden. Wenn du möchtest, dass ich lebe – wenn du dein Gewissen nicht mit dem Tod eines Menschen belasten möchtest, dann musst du das Messer vom Tisch nehmen und meine Fesseln durchschneiden.“
    Das Mädchen hob den Kopf und starrte ihn an.
    „Ich weiß, was du denkst“, presste Alan hervor, und es klang wie ein Gurgeln. „Du denkst: der Ripper … und das Messer … und ein Mädchen … Du denkst, ich werde dir das Messer aus der Hand reißen und dich damit …“
    Langsam, sehr langsam, erhob sich die junge Frau. Ihre Hand umfasste den Griff des Messers und hob es vom Tisch. So verharrte sie, ohne sich ihm einen Schritt zu nähern.
    „Du brauchst keine Angst zu haben, Mary. Ich schwöre dir, ich schwöre bei Gott, ich werde dir nichts zuleide tun. Du musst meine Fesseln durchschneiden. Mary, Mary! Ich weiß, was du denkst …“
    Das Mädchen setzte sich in Bewegung und kam auf ihn zu. Das Messer hielt sie schräg vor der Brust, wie um sich damit zu schützen, falls er sie ansprang. Ein winziger Bach aus Schweiß rann ihre Wange herab und glänzte beinahe so hell wie die Klinge. Ihre Pupillen zitterten, oszillierten.
    „Ich denke etwas ganz anderes“, sagte sie leise und sog die Luft stoßweise in ihre Lungen. Unendlich langsam hob sie das unterarmlange Messer und führte es bis eine Handbreit vor seine Kehle. Dort zitterte es hin und her und berührte sein Kinn.
    „Bitte, Mary“, wisperte Alan. „Ich muss hier heraus. Muss … muss … Blumen auf das Grab von Pater Ouston legen. Ja, das ist das Letzte, was ich noch tun muss. Mary, du musst mir glauben!“
    Marys Zähne verbissen sich in ihrer Unterlippe. „Vielleicht fällt Ihnen noch etwas anderes ein, was Sie unbedingt tun müssen, sobald Sie erst einmal da draußen in den Straßen von London sind. Ich bin eine … Benachteiligte … Mr. … Jack the Ripper … eine von ihnen.“ Auch sie flüsterte. Von draußen klangen aufgeregte Stimmen und – Kampflärm?
    „Mary, bitte! Es ist meine einzige Chance …“
    Sie zog lautstark die Nase hoch, und ihre Augen schwammen vor Tränen über. „Ich könnte Sie nicht freilassen, Mr. Jack … und wenn es mich meinen Platz im Himmel kosten würde …“
    Die aufgebrachten Stimmen kamen näher.
    „Du hast mich um meinen Anteil betrogen!“, brüllte eine durchdringende Männerstimme. „Der irre Tumblety hat sein Herz bekommen und du den Mann. Ich wollte seine Aufschriebe, nichts als die Aufschriebe – wahrlich ein bescheidener Wunsch. Und ich habe die ganze Arbeit geleistet! Mein Mann hat den Ripper hergebracht.“
    „Es gibt ein Tagebuch!“, würgte eine Stimme. Alan erkannte sie nicht sofort. Vermutlich handelte es sich um Superintendent Arnold. Er klang, als drücke ihm jemand die Kehle zu. „Er hat es selbst gesagt. Gerade eben hat er mir davon erzählt. Er hat es … weggeworfen, sagt er. Weggeworfen. Haben Sie danach gesucht? Aah, lassen Sie doch ihre … ich bekomme … keine Luft …“
    „Jemand hat es verschwinden lassen!“, donnerte der andere. „Wir haben den Ort durchsucht, aber die Tasche mit dem Tagebuch war nicht mehr da.“
    Mit einem ohrenbetäubenden Knall wurde die Tür aufgestoßen. Der Superintendent flog in den Raum, stürzte und prallte mit dem Hinterkopf auf den steinernen Boden. Seine Glieder erschlafften, und sein Kopf kippte zur Seite. Nach ihm sprang ein Mann ins Zimmer, der eine Waffe trug, eine sperrige Pistole, wie sie Anfang des vorigen Jahrhunderts üblich gewesen war. Er hatte einen schwarzen Kinnbart und wirkte von Kopf bis Fuß wie die billige Imitation eines Zirkusillusionisten.
    „Oh. Ich komme offenbar ungelegen zu einer … wildromantischen Szene.“
    Mary ließ das Messer sinken und sah den Fremden an.
    „Das ist also Jack, der Mann, den sie den Ripper nannten“, meinte dieser.
    Alan kniff die Augen zusammen. „Und ich habe vermutlich die Ehre mit … wie war gleich der Name? … Robert Stephenson, dem Magier, der glaubt, ich hätte den Teufel beschworen …“
    Stephenson grinste, doch seine Augen blickten ernst.
    „Glaubt? Du leugnest es? Und das angebliche Tagebuch?“
    „Ist ein Tagebuch. Keine Anleitung zum Satanismus. Ich muss heute eine ganze Menge Leute enttäuschen.“ Seit das
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