Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atem des Rippers (German Edition)

Der Atem des Rippers (German Edition)

Titel: Der Atem des Rippers (German Edition)
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
doch er entkam und tauchte in Amerika unter – kein Ruhmesblatt für unsere Polizei. Als er Jahre später in London erschien, waren wir überzeugt, dass er es nicht sein konnte. Es gab Beweise für seine Homosexualität, und diese sprach eindeutig gegen ihn als Mörder von Whitechapel.“
    „Und Stephenson?“
    „Stephenson war ein verrückter … Magier, der sich von Anfang an sehr für die Ripper-Morde interessierte. Wir verdächtigten ihn kurze Zeit, doch er hatte sich nie gewalttätig gegenüber Frauen gezeigt und besaß ein gutes Alibi für die meisten Mordnächte. Ich wollte den Ripper wegen des Sees aus Blut, den ich in Mary Kellys Zimmer gesehen habe und aus dem ich mich mein Leben lang nicht mehr freischwimmen kann. Tumblety wollte nicht den Ripper, sondern das Herz der Mary Kelly und die anderen Organe, die du gestohlen hast. Die Krönung seiner Sammlung, wie er sagte. Er hasst dich, weil er wegen dir aus England fliehen musste und beinahe wegen etwas gehängt worden wäre, das er nie tat – und er verehrt dich, weil du in seinen Augen den Frauen gegeben hast, was sie verdienen. Stephenson glaubt, es müsse Aufschriebe geben, und er würde seinen rechten Arm dafür geben, sie zu besitzen und lesen zu können. Er glaubt, du hättest gewusst, wie man den leibhaftigen Satan beschwört – und ich vermute fast, er bildet sich ein, die Welt beherrschen zu können, wenn er den Text dazu erst in Händen hält.“
    „Ein illustrer Kreis ehrenwerter Herren“, konnte Alan sich die ironische Bemerkung nicht verkneifen. Zynismus war nie seine Stärke gewesen, aber in diesen Minuten kam er ihm wie ein Schutzengel vor. „Ein Polizist, ein gefährlicher Irrer und ein okkultistischer Spinner, alle drei zusammen besessen von dem Gedanken, mich zu fangen … Hatten Sie keine Gewissensbisse, mit diesen Verbrechern zusammenzuarbeiten?“
    „Ich hätte keine Gewissenbisse, alle Folterinstrumente an dir auszuprobieren, Jack, die die Geschichte der Menschheit hervorgebracht hat“, versetzte Arnold.
    „Das verstehe ich“, erwiderte Alan. „Wie haben Sie herausgefunden, dass Alan Spareborne derjenige war, welcher?“
    „Das verdanken wir unserem guten Informantennetz. Jeder von uns hat seine Leute in London – und in manchen anderen Städten Englands. Vor zwei Monaten starb ein Mann in einem Londoner Hospital, der sich eine schwere Last von der Seele reden wollte, ehe er diese Welt verließ. Es war ein Geistlicher, und er …“
    „Pater Ouston“, entfuhr es Alan. „Dann ist er also tot …“
    „Das war sein Name. Die diensthabende Schwester gehörte zu unseren Informanten, und noch am selben Tag waren wir unterrichtet über Name und Aufenthaltsort des Rippers.“
    „Und Sie schickten jemanden nach Mandalay, um mich zurückzuholen … Hätten Sie mich nicht einfach töten können, ohne das unschuldige Mädchen zu opfern? Was ich begonnen habe, scheint kein Ende zu nehmen, Superintendent. Wollen Sie mein Nachfolger werden?“
    Arnold atmete hörbar ein. „Ich wusste nicht, dass so etwas geschehen würde.“ Er schien in sich zusammenzusinken, und minutenlang brachte er keinen Laut hervor. Sein Gesicht verschwand vom Fenster, und als es endlich wieder dort auftauchte, wiederholte er noch einmal denselben Satz: „Ich wusste nicht, dass so etwas geschehen würde. Stephenson schickte einen Mann nach Burma, der – wie er sagte – alles tun würde, was man von ihm verlangte. Ich bin nicht darüber informiert worden, welchen Befehl er erhielt und … was für ein Mensch er war. Vielleicht war es Stephensons Idee, vielleicht auch die des Kerls, den er schickte.“
    „Eine Menge Leute möchten gerne einmal Ripper spielen“, kommentierte Alan. „Die Leute hatten mehr Spaß, als ich jemals hatte.“
    „Diese Bemerkung steht dir als Letztem zu, Jack!“, brüllte Arnold unvermittelt. „Du warst es, der es getan hat! Du! Du warst die Bestie! Ich habe im Jahre 87 am Fall Lipski gearbeitet. Er war ein Chorknabe gegen dich.“
    „Ich bin Dekan“, sagte Alan. „Chorknaben waren mir stets suspekt.“
    Thomas Arnold wollte ohne Zweifel etwas darauf erwidern, doch dazu kam er nicht mehr. Irgendetwas beanspruchte plötzlich seine Aufmerksamkeit – Alan glaubte Schritte und Stimmen von draußen zu hören. Das Gesicht des greisen Polizisten verschwand von dem vergitterten Fenster.
    Alan strengte seine Ohren an, um mitzubekommen, was dort draußen vor sich ging. Es war ihm, als sei jemand sehr aufgebracht und schreie den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher