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Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Titel: Der Atem der Apokalypse (German Edition)
Autoren: Sarah Pinborough
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zufolge flog er kurz vor Ausbruch des Feuers ab. Normalerweise hätte ich jetzt Satellitenbilder davon, nur heute eben nicht. Insofern wissen wir nur, dass jemand hier rausgekommen ist. Fragt sich, wie viele an Bord waren.«
    »Sie glauben, er könnte noch leben?«, fragte Tim Hask. Er musste keinen Namen nennen. Cass Jones hing zwischen ihnen in der Luft, wie er es schon so lange getan hatte. Als Fletcher keine Antwort gab, blickten die drei Männer wieder auf das zerstörte Forschungsinstitut.
    »Oh, darauf würde ich wetten«, sagte Ramsey schließlich. »Sie etwa nicht?«

45
    Ein Vorhang trennte die beiden Patienten voneinander. Cass wollte den Körper nicht sehen, der Christians Sohn in der Zeit beherbergt hatte, als der Erste seinen besessen hatte. Seit er Christians Jungen zum ersten Mal gesehen hatte, also ihm in die Augen geblickt und ihn richtig
gesehen
hatte, wollte er, dass er möglichst schnell in den Körper zurückkehrte, der von Geburt an seiner war. Mr Bright hatte diesen Wunsch respektiert.
    Als Cass jetzt am Bett des Jungen saß, war er sich nicht darüber im Klaren, was er erwartet hatte – Schläuche und Kabel auf jeden Fall, und Sauerstoffmasken und laute Geräte, das auch. Möglicherweise wurden sie für den alternden Körper hinter dem Vorhang gebraucht, doch das, was den Austausch bewirkte, hatte damit nichts zu tun.
    Cass schaute scheu zu, als eine Krankenschwester den Jungen untersuchte. Er schlief sehr tief, da man ihn in ein künstliches Koma versetzt hatte, um den Prozess einzuleiten. Die Schusswunde war noch nicht verheilt, doch das Fleisch wuchs schon wieder zusammen. Die Verletzung sah aus, als wäre sie zwei Wochen alt, und nicht nur wenige Stunden. Nach ein paar Wochen würde vielleicht nicht einmal eine Narbe zurückbleiben.
    Die Krankenschwester ging auf leisen Sohlen, ohne aufzublicken.
    Cass blieb zwei Tage und Nächte am Krankenbett sitzen. Man brachte ihm regelmäßig Sandwiches und Getränke, die er größtenteils unberührt zurückgehen ließ. Verhielt sich Mr Bright auf der anderen Seite des Vorhangs genauso? Cass hatte ihn nicht herauskommen sehen.
    Die Übertragung wurde durch die Kraft der Zirkel bewirkt, Mr Bright eingeschlossen, und war nun fast vollendet. Beim ersten Mal, als sie noch experimentierten, hatte es angeblich sehr viel länger gedauert, doch das Serum war injiziert worden und nun sollte der Junge bereit sein. Zumindest seine Atmung funktionierte reibungslos.
    Jetzt beobachtete Cass, wie Geräte an ihm vorbei hinter den Vorhang geschoben wurden, die den anderen Patienten nach dem Aufwachen möglichst lange am Leben halten sollten. So stellte Cass sich das jedenfalls vor, obwohl er nicht einmal so tat, als würde er es verstehen. Er selbst wünschte dem Ersten den Tod an den Hals – das hatte er Mr Bright auch schon im Hubschrauber gesagt. Der rätselhafte Mann hatte es lächelnd zur Kenntnis genommen und gesagt: »Aber er gehört zur Familie, zu
deiner
Familie. In euren Adern fließt das gleiche Blut.« Doch das lockere Zwinkern war ihm rasch wieder vergangen. »Es sind schon so viele gestorben, findest du nicht?«, hatte Mr Bright gemurmelt und aus dem Fenster gesehen.
    Als Cass dem Piepen und Summen der Geräte lauschte, fragte er sich, ob das die ganze Wahrheit gewesen war oder ob es nicht doch gewisse Schicksale gab, die noch schlimmer waren als der Tod. Warum sollte der Erste so einfach davonkommen, nachdem er beinahe mit voller Absicht den Weltuntergang verursacht hätte und sie alle hatte umbringen wollen? Möglicherweise hatten Mr Bright und die Mitglieder der Zirkel insgeheim etwas anderes mit ihm vor.
    Er schloss für einen Augenblick die Augen und ließ den Kopf kreisen, um seinen schmerzenden Nacken zu entlasten. Er war so erschöpft …
    Als er die Augen wieder aufschlug, war es still geworden. Cass runzelte die Stirn. War er etwa eingeschlafen? Das gelbliche Licht war trüber und Schatten lagen im Raum. Seine Gänsehaut sagte ihm, dass noch jemand im Zimmer war. Als er aus dem Augenwinkel etwas wahrnahm, drehte er langsam den Kopf.
    Auf Hochglanz polierte schwarze Schnürschuhe. Rote Blutflecken. Dunkle Hosenaufschläge.
    Vor Schreck hielt er die Luft an und blinzelte mehrmals. Die Schuhe bewegten sich nicht. Er zwang sich weiter oben nachzusehen: ein hellblaues Armanihemd, das halb aus der Hose hing. Gelockerte Krawatte. Cass wollte eigentlich nicht weiter hochsehen. Würden Christians Augen bluten wie damals im Kloster? Würde sein
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