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Der arme Drache (German Edition)

Der arme Drache (German Edition)

Titel: Der arme Drache (German Edition)
Autoren: Simon Heiser
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die
Bettler hatten hier ordentlich Fleisch auf den Knochen.
    Oliver
hatte sogar, vor vielen Jahren, als er seine Höhle frisch
bezogen hatte, einen Schatz besessen und wunderbar darauf geschlafen.
Es war eine Heidenarbeit gewesen, sich diesen Hort zusammenzuklauben,
doch er war zu jener Zeit noch nicht viel mehr als ein Halbstarker,
voller Energie und Tatendrang. Er war durch die Lande gezogen und
hatte nach verlorenen Münzen gesucht, Jahr für Jahr, immer
in dem Wissen, dass er ja ein Drache war und von daher über
massig Zeit verfügte. Einmal hatte er sogar einen Beutel Gold in
einem hohlen Baum gefunden, den wohl ein Kobold dort vergessen haben
musste (das spricht doch für den Reichtum des Königreiches,
nicht wahr?). Drei Tage hatte er auf den Besitzer gewartet, damit er
sich nicht im Nachhinein mit einem wütenden Märchenwesen
auseinandersetzen musste, das dachte, er hätte es bestohlen. Als
der Kobold niemals aufgetaucht war, hatte Oliver den Schatz an sich
genommen. Er hatte seine lange Schnauze in die komischsten Winkel der
Landschaft gesteckt, hatte so manches Abenteuer erlebt und so manche
Absonderlichkeit aus den Eingeweiden der Erde geborgen. Perlen,
gewonnen in einem Sängerwettstreit der Meermenschen, eine Truhe
voller Schmuck aus den vermodernden Knochen eines Riesenlindwurms.
Die Liste seiner Erlebnisse war endlos. Und auch wenn er den meisten
seiner Fahrten nicht hinterhertrauerte und froh war, dass sie vorbei
waren, so hatte er sich doch dem Schicksal eines jeden Drachen
gestellt und einen Schatz angelegt. Selbst ein so ungewöhnlicher
und behäbiger Drache wie er konnte eben nicht aus seiner Haut.
    Wie
gut hatte er auf diesem, in Zeiten der Mühsal und Entbehrungen
gesammelten Hort geruht. Dort, auf seiner klimpernden Bettstätte
hatte er wundervolle Träume gehabt, die golden und silbern und
wie Diamanten in seinem Kopf einen gemächlichen Walzer tanzten.
    Doch
wie es das Schicksal so wollte, waren nach wenigen Wochen schon
Ritter und Leute, die sich als Helden aufspielen wollten, völlig
unerwünscht erschienen und hatten ihm alles Gold und auch die
letzte Perle weggenommen. Er war sehr friedfertig und deshalb hatte
er sich auch nie gewehrt, als die Menschen in ihren prächtigen
Rüstungen kamen und eine Truhe nach der anderen aus seiner Höhle
schleppten. Seitdem war er meistens traurig und konnte nicht mehr gut
schlafen, denn der Boden war öd, und ohne den Geruch seines
Schatzes wirkte seine Höhle nicht gerade sehr heimisch. Ihm
fehlte das kaum wahrnehmbare Flüstern der Schmuckstücke,
die alle ihre eigenen Erzählungen zu berichten gewusst hatten.
    Jetzt
waren die Abenteuer vorbei und sein Hort war weg. Er fühlte sich
nicht in der Lage, und vor allem nicht willens, noch einmal eine
solche Prozedur auf sich zu nehmen. Ihm schien, als hätten die
Strauchdiebe unter den Deckmänteln von Helden mit der letzten
Truhe auch einen Teil seines Stolzes mitgenommen.
    Während
er auf seinem kahlen Boden lag und von besseren Zeiten träumte,
konnte er noch nicht ahnen, was im Laufe dieser Geschichte noch auf
ihn zukommen würde ...

    2.
    Ein
alter Mann verlässt uns

    Nicht
weit entfernt von Olivers Höhle, direkt am Rand des alten
Waldes, stand eine gemütliche Hütte, aus deren Schornstein
im Winter behaglicher Rauch drang und aus der es stets verführerisch
nach gutem Essen duftete. Sie gehörte einem schweigsamen
Holzfäller, der sie in seinen jungen Jahren mit seinen eigenen
Händen gebaut hatte. Fast zwei ganze Jahre hatte er gebraucht
bis es so wie heute war, doch er hatte niemals aufgegeben und voller
Stolz genoss er nun seinen Lebensabend in jenem liebevoll erbauten
Häuschen. Das Fällen von Holz überließ er
mittlerweile jüngeren Männern; er selbst ging nur noch ab
und zu in den Wald, um trockene Äste für seinen Kamin zu
sammeln.
    Man
konnte nicht wissen, ob er von der Drachenhöhle in der Nähe
wusste; Oliver wusste auf jeden Fall von der Hütte und sie war
meist ein Grund für ihn, diesen Teil des Waldes zu meiden.
Obwohl dies ihm wegen offensichtlicher Qualitäten der hiesigen
Küche nicht immer leicht fiel.
    Der
Duft von gutem Essen ... ach ja! Diesen Duft (und natürlich auch
das Essen an sich) hatte der alte Holzfäller seiner Enkelin zu
verdanken, die schon einige Jahre bei ihm wohnte und eine wunderbare
Köchin war. Selbst wenn nur gesalzenes Fleisch und Brot im Haus
war, die junge Frau verstand es wie keine andere, auch dann ein
vorzügliches Mahl zu bereiten. Das lag
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