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Der arme Drache (German Edition)

Der arme Drache (German Edition)

Titel: Der arme Drache (German Edition)
Autoren: Simon Heiser
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so
schön war, konnte es drinnen nicht schrecklich sein, oder?

    4.
    Der
Freundschaft zarte Bande

    Olivers
Höhle war voll mit allem möglichen Krimskrams, den man sich
nur vorstellen kann. Fast alles davon war wertlos und deshalb hatten
die gemeinen Diebe es ihm gelassen. Er hatte das ganze Zeug in eine
Ecke geworfen, damit es ihn nicht beim Schlaf behinderte, und
stapelte es sich an der rückwärtigen Wand. Nur das
Damespiel, bei dem die Steine sich noch in einer erst zur Hälfte
beendeten Partie gegenüber standen, lag sorgsam von allem
anderen getrennt in einer anderen Nische, denn er konnte nie wissen,
wann der Luchs wieder einmal vorbeikommen würde, um das
unentschiedene Spiel fortzusetzen. Beim letzten Mal hatte die große
Katze frühzeitig fort gemusst, in Erinnerung an dringend
ausstehende Geschäfte. Das Innere der Höhle schaffte es,
trotz des vielen Krempels leer zu wirken. Selbst Menschenaugen
mussten zwangsläufig bemerken, dass hier etwas Bestimmtes
fehlte.
    Olivers
Schlafplatz bestand aus einer dicken Schicht Stroh, das er jede Woche
wechselte, denn da er ohnehin nicht gern auf Stroh schlief, sollte es
wenigstens sauber sein.
    Ach,
wie er seine Goldmünzen vermisste; die Gesichter der wichtigen
Menschen, die darauf eingeprägt gewesen waren, Könige,
Adlige, sogar Kaiser hatten ihm immer schweigende Gesellschaft
geleistet. Wie freundliche Geister, die da waren und doch nicht,
waren sie Teile seines Lebens gewesen. Die Münzen, deren
wertvolles Metall ihre Abbildert geziert hatten, erzählten noch
dazu ihre eigenen Geschichten. Manche waren alt und rostig gewesen
und schon durch die Hände vieler Menschen gegangen, bevor sie
bei ihm gelandet waren. Manche, die wenigsten, waren fast neu gewesen
und hatten selbstbewusst und autoritär geglänzt.
    „ Du
kannst auf dem Stroh schlafen, wenn du willst“, bot Oliver dem
Mädchen an. „Keine Angst, es ist ganz frisch und stinkt
nicht.“
    „ Vielen
Dank“, sagte Marie höflich und setzte sich auf das Stroh.
Sie wollte dem Drachen noch so vieles sagen, um ihm für seine
Freundlichkeit zu danken, doch ehe sie den Mund aufmachen konnte, war
sie umgekippt und eingeschlafen. Erschöpfung und Trauer hatten
ihr auch das letzte Stück Kraft genommen.

    Als
Marie wieder erwachte, war es Nacht und die Drachenhöhle wurde
von einem Feuer beleuchtet, das am Eingang knisterte, so dass der
Rauch nicht hereinkam. Sie sah sich um und entdeckte Oliver, der
neben seinem Krimskrams lag und sie mit einem Auge beobachtete. Sein
Hals und sein Kopf lagen weit ausgestreckt auf dem Boden.Voller
Verwunderung spürte sie auch eine Decke aus Wolle über
ihren Schultern. Sie war dick und hielt angenehm warm.
    Neben
dem Schlafplatz stand plötzlich ein ausgerissener Baumstumpf,
der eine Art Tisch darstellen sollte und auf dem allerlei Beeren und
Nüsse lagen. Eine Schale aus Baumrinde, die Wasser enthielt,
leistete ihnen Gesellschaft. Etwas verschlafen fragte Marie:
    „ Ist
das etwa alles für mich?“ Sie traute ihren Augen kaum.
    „ Alles
für dich“, sagte Oliver und lächelte, doch er wirkte
nicht wirklich fröhlich. „Du glaubst gar nicht, was man im
Wald alles finden kann, wenn man sich nur die Mühe macht, zu
suchen. Iss, du hast doch Hunger. Dein Magen hat die ganze Zeit
geknurrt, bestimmt noch lauter als mein übliches Geschnarche.“
    Noch
immer in die Decke eingewickelt, machte sich Marie dankbar über
das Mahl her, das Oliver für sie bereitet hatte. Als Hunger und
Durst gestillt waren, legte sie eine Hand auf seine Nase und sagte:
    „ Du
bist so lieb zu mir, guter Drache. Wie kann ich mich nur jemals bei
dir bedanken?“
    Oliver
lächelte, was für Menschen seltsam aussehen mochte. Man
stelle sich nur das zähe, knautschige Gesicht eines Reptils vor,
mit all den Schuppen, so hart, dass es immer kühl und
distanziert wirkte. Doch auch an einen lächelnden Drachen konnte
man sich gewöhnen.
    „ Das
ist einfach“, behauptete er. „Erzähl mir, warum du
so traurig bist.“
    Zuerst
zögerte Marie, und als Oliver schon glaubte, das Mädchen
würde nichts sagen, begann sie plötzlich, ihm vom Tod ihres
Großvaters zu erzählen. Oliver war ein guter Zuhörer
und er unterbrach seinen Gast kein einziges Mal, nickte mitfühlend
und hielt das Feuer in Gang, ganz traditionell, indem er mit einer
Klaue über einen Feuerstein kratzte und somit Funken schlug,
denn er wollte keinen Hustenkrampf riskieren. Wenn die Flammen hoch
genug loderten, legte er Holz nach. Marie brauchte
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