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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Laurie Frankel
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reagieren, wenn sie nicht wussten, mit wem sie sprachen.
    »Ich bin ein Freund von Josh Annapist«, erklärte Sam. »Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Josh gestorben ist.«
    Das verstand Noel. Weil er wusste, dass Josh krank gewesen war. Weil er und Josh viel Zeit damit verbracht hatten, über den Tod und das Sterben zu sprechen. Und weil es nicht RePrise war, sondern schlicht und ergreifend das Leben. Er ließ das Gesicht in seine Hände sinken. »Nein. Oh nein, nein. Es ging ihm doch viel besser! Ich sollte doch als Erster gehen! Ich bin schon länger krank als er. Wir waren uns beide sicher, dass ich zuerst sterbe. Wir haben Witze darüber gemacht, dass ich ihm einen Platz freihalten soll.«
    Sam wollte die Projektion nicht anlügen, so absurd das auch war, daher spielte er einfach mit. »Er hat wirklich gekämpft, aber am Ende war er einfach müde und ausgelaugt .«
    »Nein. Nein! Ich dachte, seine Abstoßungsreaktion wäre besser geworden. Oh, Josh! Ich wollte doch zuerst gehen, Kumpel.«
    »Er wollte unbedingt, dass ich Sie benachrichtige. Das war ihm am allerwichtigsten.«
    »Wir standen uns sehr nahe. Eigentlich waren wir zwei wie Brüder.«
    »Er hat einen gewissen Frieden gefunden am Ende«, sagte Sam. »Weil er wusste, dass ein Teil von ihm weiterlebt.«
    »Er war so ein toller Mensch . Das hat er nicht verdient.«
    »Nein. Das verdient niemand.«
    »Aber er am allerwenigsten«, erwiderte Noel. »Er war so großarti g, so witzig. Er hat alles mit einer gewissen Ironie betrachtet, wissen Sie? Genau neben so jemandem möchte man bei der Chemo sitzen. Die meisten Leute haben Panik bei der Chemo und sind völlig deprimiert. Manche reagieren sogar wütend. Und dann gibt es immer einen Clown, einen Typen, der denkt, wenn er nur laut und albern genug ist, verscheucht er alle kranken Zellen, einen Typen, der viel zu komisch ist, als dass ihn so etwas Ernstes wie Krebs heimsuchen könnte. Und dann habe ich Josh kenne ngelernt. Er konnte den Clown auslachen, ohne dabei gemein zu sein, konnte die Deprimierten aufmuntern und die Wütenden aus ihrer schlechten Laune kitzeln. Er hat dafür gesorgt, dass alle weniger Angst hatten, aber er hat es auf eine leichte, unbeschwerte Art getan. Sie kennen doch sicher auch diese Leute, die ständig ernst und besorgt sind und einem unbedingt dabei helfen wollen, sich mit der eigenen Angst und der eigenen Krankheit und diesem ganzen Mist abzufinden. Diese Leute bewirken nur, dass man umso schneller sterben möchte. Josh hat bewirkt, dass man leben und wieder gesund werden und mit ihm segeln gehen wollte.«
    »Unsere Welt hat er ebenfalls mit seiner Anwesenheit erhellt. Auch ein ziemlich finsterer Ort.«
    »Was soll ich nur ohne ihn tun? Er war mein Krebs-Kumpel. Er war der Einzige, der verstanden hat, was ich durchmache.«
    »Ich weiß, Noel. Das ist das Schlimmste.«
    »Mir ist schlecht. Ich vermisse ihn schon jetzt wie verrückt.«
    »Es tut mir so leid«, sagte Sam.
    »Schon gut«, antwortete N oel. »Sie haben es ja nur gut gemeint. Ich vergebe Ihnen.«
    Sam lehnte sich nach hinten und spürte, wie sein Atem seinen Körper verließ. Er spürte, wie sein Atem das Zimmer verließ, die Wohnung, das Gebäude, die Stadt. Sam spürte, wie sein Atem die Welt verließ, die Nacht, wie er zu den Sternen emporstieg und dort zu Eis wurde, das sich atomdünn bis in die hintersten Winkel der Galaxie erstreckte. Dann zog er sich wieder zurück, nahm die ganze schwarze Welt mit sich und bahnte sich seinen Weg durch interstellaren Raum und dunkle Materie und die Geheimnisse der Unendlichkeit zurück in die Erdumlaufbahn, zurück in Sams Nacht und Sams Stadt, zurück in seine Lunge. Es war alles gut. Er versuchte nur zu helfen, Leid zu lindern und Herzen zu flicken und verbrannte Seelen zu kühlen, die Hinterbliebenen aus dem verlorenen Land herauszuführen, ihre Trauer ein bisschen weniger einsam zu machen. Und dafür war ihm vergeben worden. Er bedankte sich bei Noel und beendete das Gespräch. Das Zimmer um ihn herum drehte sich, und Sam ließ sich nach hinten aufs Bett sinken, während in seinem Laptop auf dem Boden Joshs Projektion erstellt wurde, und die Hunde kletterten auf ihn, um die salzigen Tränen aufzulecken, die ihm aus den Augen tropften. Es war alles gut. Ihm war vergeben worden.
    L iebesbrief
    Lieber Sam,
    auch du stirbst. Es bricht mir das Herz, aber so ist es. Du bist mein Herz. Du bist meine Liebe und du bist mein Gott, mein
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