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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Laurie Frankel
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Sonst hätte er nicht im Internet nach einer Partnerin gesucht, sondern irgendwo schrullig und zufrieden in einer Kellerwohnung gehaust (X-Box, Wii, Playstation, 52-Zoll-Plasmafernseher, Mikrowellen-Nachos). Doch stattdessen saß er hier und warf sich wieder auf den Markt. War das nicht ein Zeichen für Optimismus in Sachen Liebe (Hoffnung, Mut, Wärme, Großzügigkeit, die Aussicht auf jemanden, dem man einen Gutenachtkuss geben konnte)? Vielleicht. Aber das war viel zu kitschig, um es in das blöde Online-Formular zu schreiben.
    Das Problem bei dem Formular war nicht, dass die Leute nicht die Wahrheit schrieben – das taten sie nicht –, sondern dass man überhaupt nicht die Wahrheit schreiben konnte , selbst wenn man gewollt hätte. Gegenstände auf einem Nachttisch besitzen keinerlei Aussagewert über die Seele, und Zukunftshoffnungen lassen sich auch nicht so einfach für Formulare oder wildfremde Menschen zusammenfassen. Das Ausfüllen von Lückentexten macht zwar Spaß, aber was man hineinschreibt, ist sicher kein Indikator für die eigene Beziehungstauglichkeit (und so viel Spaß macht es dann auch wieder nicht). Selbst konkrete Antworten auf konkrete Fragen enthüllen nichts von dem, was man unbedingt wissen muss. Sam wollte zum Beispiel eine Freundin, die kochen konnte und es regelmäßig und vor allem gerne tat, aber das ging nicht, weil sie dann mit ziemlicher Sicherheit eine Küchenfee war, bei der immer alles perfekt aufgeräumt sein musste (Sam war nicht besonders ordentlich), und es ging auch nicht, weil sie dann vermutlich der Ansicht war, dass eine Frau an den Herd gehörte und für das Wohlergehen des Mannes zuständig war (Sam war Feminist), und es ging außerdem nicht, weil sie dann bestimmt einer dieser Menschen war, die nur biologische, nachhaltige, regional angebaute, umweltbewusste, vollwertige, rohe, vegane Lebensmittel ohne Zusatzstoffe aßen (Sam liebte Milchprodukte, siehe oben). Doch es musste gehen, weil Sam nicht kochen konnte und sie schließlich etwas essen mussten und weil er als Gegenleistung gerne andere Hausarbeiten wie Geschirrspülen oder Wäschezusammenlegen oder Badputzen übernahm. Für derart komplexe Erörterungen war in dem Formular allerdings kein Platz, und es gab auch keine Zeile, in der er sich als die Sorte Mann zu erkennen geben konnte, die derart bizarre Einzelheiten für relevant hielt.
    Aber ein Mann hat nun mal Bedürfnisse. Nicht die, die einem sofort in den Sinn kommen. Na ja, solche auch, doch die standen für Sam nicht an erster Stelle. An erster Stelle stand für ihn, dass er sich jemanden wünschte, mit dem er freitagabends essen gehen und am Samstagmorgen aufwachen konnte, mit dem er ins Museum und ins Kino und ins Theater und auf Partys und in Restaurants und ins Stadion gehen konnte, mit dem er für ein langes W ochenende verreisen, wandern, Ski fahren, die Eltern besuchen konnte und der ihn zu Weinproben und Betriebsfeiern begleitete. Vor allem Letzteres war Sam ein dringendes Anliegen, weil er für ebenjene Online-Partneragentur arbeitete, deren Formular ihm gerade so viel Kopfzerbrechen bereitete. Die Agentur beschäftigte viele geld- und leistungsorientierte Mitarbeiter (meist männlich), die viele geld- und leistungsorientierte Gäste (meist weiblich) zu ihren vielen geld- und leistungsorientierten Firmenfeiern mitbrachten, auf denen festliche Abendgarderobe Pflicht war. Bevor Sam in der Agentur angefangen hatte, hatte er überhaupt keine Abendgarderobe besessen, geschweige denn festliche. Außerdem war er selbst weder geld- noch leistungsorientiert, sondern entschieden der Ansicht, dass ihn seine Arbeit als Softwareentwickler in einer winzigen Bürozelle, umgeben von anderen Softwareentwicklern mit ihren ominösen Mathe-T-Shirts, ihren Star Trek -Figuren und siebenseitigen Zauberwürfeln, von solcherlei Zwängen hätte entbinden müssen. Aber die Anwälte und Marketingleute und stellvertretende n Direktoren und Finanzvorstände und VIP s und Investoren erschienen alle in weiblicher Begleitung und legten die Messlatte entsprechend hoch. Außerdem handelte es sich nun mal um eine Partnervermittlungsagentur – bei Firmenfeiern allein aufzutauchen war also nicht gerade karriereförderlich. Sam verbrachte diese Abende in seinem viel zu steifen Smoking und riss unbeholfene Insiderwitze mit seinen unbeholfenen Leidensgenossen aus der Softwareabteilung, während er an seinem Gratis-Wodka-Tonic nippte und sich Sorgen machte, dass er nie die wahre Liebe
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