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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Laurie Frankel
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finden würde.
    Damals an der Highschool in Baltimore, als Holly Palentine die Coolness hinter seinem Computernerd-Äußeren erkannt und erst eingewilligt hatte, beim Schulball mit ihm zu tanzen, und später sich von ihm zum Essen und ins Kino einladen zu lassen und dann an den meisten Nachmittagen nach der Schule mit ihm in seinem Keller herumzuknutschen, war Sam davon ausgegangen, dass er eines Tages seine Jugendliebe heiraten würde. Er erinnerte sich noch genau, wie er beim Frühjahrsball eng mit ihr getanzt und sich dabei ausgemalt hatte, wie sie bei ihrer Hochzeit aussehen würden. Bis sie ihm eines Tages einen Brief aus dem Pfadfinderlager, in dem sie als Betreuerin jobbte, geschickt hatte, um ihn zu fragen, ob sie Freunde bleiben könnten. Freunde bleiben? Sam war nicht klar gewesen, dass das überhaupt infrage stand. Später auf dem College nahm er nachts Mädchen mit aufs Wohnheimzimmer, flirtete auf Partys und verliebte sich Hals über Kopf in die Barista des Shot Through the Heart (wagte es allerdings nie, sie anzusprechen) und er führte sogar eine eineinhalbjährige, richtige, erwachsene Beziehung mit Della Bassette, bis sie ihren Abschluss machte, sich zum Freiwilligenkorps meldete und f ür drei Jahre nach Simbabwe verschwand. Danach gab es noch eine eineinhalbjährige, echte, grundsolide, für die Ewigkeit gedachte »Wir sollten langsam Verlobungsringe kaufen gehen«-Liebe mit Jenny O’Dowd, die ihn wirklich liebte und für immer mit ihm zusammen sein wollte, nur dass sie im letzten Semester leider versehentlich auch mit seinem Zimmernachbarn schlief. Zweimal. Dann versuchte es Sam eine Zeit lang als Single, weil so die Gefahr, dass jemand auf seiner Seele herumtrampelte und sein Herz in tausend Stücke riss, weit geringer war. Er versuchte sich desinteressiert zu geben, nichts zu riskieren, nicht die Augen offen zu halten, seine Freizeit mit männlichen Kumpeln zu verbringen, Singleurlaube zu machen, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten und das Kabelfernsehen abzubestellen. Doch das funktionierte auch nicht. Sich nicht zu verlieben bedeutete tatsächlich, dass man nicht verletzt wurde. Aber das brachte ja auch nichts.
    Und das lag nicht etwa daran, dass er einer dieser Menschen gewesen wäre, die ständig einen Partner brauchen, oder dass er sich unvollständig gefühlt hätte oder Angst gehabt hätte, als Single nicht genug Sex zu kriegen. Aber wenn Sam keine Zeit mit Menschen verbrachte, die er mochte, verbrachte er zu viel Zeit mit Menschen, die er nicht mochte. Im Büro waren seine Kollegen ja ganz in Ordnung, doch wenn er nach Feierabend mit ihnen um die Häuser zog, hatte man sich nicht mehr viel zu sagen. Treffen mit alten College-Kommilitonen zur Happy Hour erinnerten ihn daran, warum er ebendiese Kommilitonen nach dem Studium aus den Augen verloren hatte. Und beim Small Talk auf Partys, auf die ihn Freunde schleppten, sah er sich gezwungen, Begeisterung für Themen zu heucheln, die ihn in Wirklichkeit nicht die Bohne interessierten.
    Als Sam von der Ostküste nach Seattle zog, versuchte er es zum ersten Mal mit Online-Dating und konnte gar nicht glauben, dass er in zweiunddreißigeinhalb Lebensjahren noch nie auf diese Idee gekommen war. Sam glaubte an Computer und Programme, an kodierbare Informationen, Algorithmen, Zahlen und Logik. Sein Vater war ebenfalls Softwareentwickler und außerdem Informatikprofessor an der Johns Hopkins University. Sam war also im Glauben an die Technik aufgewachsen. Computer waren seine Religion. Jedermann pries Online-Dating als letzte Rettung, wenn man am College, dieser riesigen Partnerbörse, niemanden kennengelernt hatte. Für Sam war Online-Dating eine Offenbarung, weil es die Partnersuche entmystifizierte. Im wahren Leben traf man vielleicht ein Mädchen und mochte es, und das Mädchen mochte einen auch. Man verstand sich gut und fing eine Beziehung an, und wenn das gut lief, kam man sich immer näher und teilte immer mehr miteinander, man passte das eigene Leben an das des Mädchens an und verliebte sich ernsthaft, und trotzdem schlief es mit dem Zimmernachbarn, sobald man übers Wochenende nach Hause fuhr. Bei Computern traten derart groteske Abweichungen nicht auf.
    Allerdings war für Sam beim Online-Dating bisher lediglich ein gut bezahlter Job herausgesprungen. Aber auch auf die Liebe musste er nicht mehr lange warten, wie sich bald herausstellen sollte. Eines herrlichen Junimorgens, der zum Arbeiten eigentlich viel zu schade war, bekam die ganze
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