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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Laurie Frankel
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noch nicht geboren, würden nie geboren werden. Aber seine Freunde waren alle da, genau wie seine Eltern und drei seiner vier Großeltern. So ein Tod fühlt sich vollkommen anders an als einer, der zur rechten Zeit kommt, stellte Sam fest, der allmählich zum Experten auf diesem Gebiet avancierte.
    Dash organisierte eine Wein- und Käseverkostung, obwohl Sam sein Veto eingelegt hatte (»Trauerfeiern haben kein Motto«). Aber Dash überstimmte ihn (»Betrunken erträgt sich alles leichter, außerdem nimmt das der Sache ein bisschen von ihrer Tragik «), und so gab es die übliche Mischung aus Trauer und Gelächter, Small Talk und tiefschürfenden Gesprächen. Josh hatte eine große Familie und jede Menge Freunde (von denen er natürlich nur Noel überlebt hatte), aber als Sam sich im Salon umsah, entdeckte er hauptsächlich Joshs zweite Familie. Eduardo Antigua, für immer Sams erster Kunde, unterhielt sich mit Dash, Jamie und Joshs Bruder und verkostete Cheddar, während sich Avery, Edith, Celia und Muriel Stühle in eine Ecke schleiften, in der sie mit Joshs drei Tanten zusammensaßen und sich einen Teller Cracker mit Brie teilten. Nadia Banks und Emmy Vargas gingen zu allen Gästen und sorgten dafür, dass sich jeder, der wollte, in das Erinnerungsbuch eintrug, und Kelly half David dabei, seine Gitarre und den Verstärker aufzubauen. David hatte Stanford um ein Jahr verschoben, um zu Hause bei seinem Vater und Kelly zu bleiben. Mittlerweile beherrschte er ein großes Repertoire an traurigen Songs, die sich perfekt für den heutigen Anlass eigneten . Kylie Shepherd witzelte traurig, dass er problemlos als Beerdigungsmusiker hätte arbeiten können . Mr. und Mrs. Benson – Letztere wiegte geistesabwesend einen erstaunlich ruhigen Oliver auf ihrer Hüfte – standen beim Gouda und unterhielten sich mit Joshs Eltern, die genau wie sie die Beerdigung ihres eigenen Kindes erleben mussten.
    Sam war froh, dass sie einander hatten. Er war froh, dass sich alle gegenseitig hatten und dass das, was RePrise nicht bieten konnte – und davon gab es eine Menge –, durch zwischenmenschliche Kontakte und Nächstenliebe aufgefangen wurde. Er war froh, dass durch RePrise so viele zwischenmenschliche Kontakte und so viel Nächstenliebe entstanden waren. Joshs Freunde legten Joshs Mutter die Hand auf den Arm und sagten: »Unser herzlichstes Beileid, Mrs. Annapist.« Mr. Annapists Freunde schüttelten ihm die eiskalte Hand und sagten: »Furchtbar, einfach furchtbar.« Grüppchen von Menschen, die sich kannten, fanden zusammen und redeten über alles und nichts – Neuigkeiten bei der Arbeit, gemeinsame Bekannte, Renovierungsarbeiten, Urlaubspläne, abwesende Kinder et cetera. Mit dem Stolz eines Vaters stellte Sam fest, dass die RePrise-Kunden hilfsbereiter und präsenter waren. Sam war nicht der Einzige, der zum Experten in Sachen Tod geworden war. Sie wussten, was man außer »Es tut uns leid« noch sagen, was man außer Beileid noch anbieten konnte. Sie wussten um den Schock, unter dem Angehörige kürzlich Verstorbener stehen, und sie kannten auch den Schrecken, der danach kommt, und den danach und den darauffolgenden. Sie wussten, wie man Bande knüpft, obwohl alles um einen herum auseinanderbricht, sie wussten, wie man lacht, ohne seine Traurigkeit auch nur einen Moment zu vergessen, und sie wussten, wie man sich von einem Toten verabschiedet, ohne ihn hinter sich zu lassen. An all das erinnerten sie sich trotz ihres unvollkommenen Gedächtnisses. Und vielleicht, nur vielleicht, so hoffte Sam, konnten sie ein wenig mehr Neues in sich aufnehmen und ein wenig mehr von ihren Erinnerungen aufgeben, weil sie genau wie Sam ein anderes vollkommenes Andenken in ihren Herzen wussten. Nun ja, in ihren Herzen und in Sams Computerservern. Und das war immerhin etwas.
    Das war der nüchterne und ernüchternde Teil der Totenwache. Darauf folgte der betrunkene, viel weniger schmerzhafte. Für Sam war das Beste am Alkohol, dass man keine neuen Erinnerungen mehr ansammelte. Er konnte tun, was er wollte, aufnehmen und erfahren, so viel er wollte, ohne dabei auch nur ein einziges Meredith-bewahrendes Neuron zu verdrängen. Es gab Umarmungen und Alkohol und Käse, und niemand wollte nach Hause gehen. Irgendwann gegen Morgen stolperte Sam nach oben, um Joshs Daten fertig einzulesen. Während der Algorithmus arbeitete, rief er Noel an, wie er es versprochen hatte.
    Noel war völlig verunsichert. Er kannte Sam nicht. Projektionen konnten eigenartig
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