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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau
Autoren: Andreas Gößling
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Sein gekröntes Haupt reckte sich empor, als er den Riegel beiseite stieß, dann schwang mit einem dumpfen Stöhnen das Gewölbetor auf.
    Julius legte seine rechte Hand auf den Rücken des hockenden Balgs und lief mit hastigen Schritten in Hezilows Unterwelt hinab.

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    Das Doppel-Ei des Athanor glühte, geschäftig ging Julius vor dem Ofen hin und her. Er füllte Wasser in einen Kristallballon und setzte ihn auf den Herd, gab Tropfen aus Flaschen und sämige Spritzer aus Phiolen hinzu.
    Hinter einer Säule verborgen, sah Markéta ihm zu, überwältigt von Mitleid mit ihrem Geliebten. Etwas Schreckliches war mit Julius geschehen. Sein Gesicht war gänzlich verändert, und sie wusste nun, dass die Umnachtung nicht mehr von ihm weichen würde. Seine Augen von roten Schlieren durchzogen, mit milchigem Glanz überdeckt, seine Züge zerflossen, die Unterlippe unablässig zitternd, so als ob Schmerz oder Ekel, die seinen Mund früher zuweilen zucken ließen, nun unentwegt an ihm fräßen.
    Auf der Tischplatte vor ihm hockte der versteinerte Knabe, zu seiner Rechten die Silberkrone, zur Linken das akkurat aus der Leinwand geschnittene Oval.
    Seinen Krönungsmantel hatte Julius in den Athanor gestopft und dann, vor dem Ofenfenster kauernd, lange zugesehen, wie der Umhang von den Flammen verzehrt wurde. Splitternackt lief er hin und her, und als es in der Kristallkugel zu brodeln begann, nahm er seine Silberkrone und warf sie hinein.
    Sein Gesicht, seine Bewegungen, alles an ihm glich nun dem Raubtier, an das er sie von Anfang an erinnert hatte. Ein junger Wolf von glatter Schönheit, doch obwohl sie auch die Gefahr, die von ihm ausging, niemals stärker empfunden hatte, verspürte sie keinerlei Angst. Er tat ihr nur Leid, so furchtbar Leid, dass es ihr fast das Herz zerdrückte.
    Mit einem hölzernen Löffel rührte er die kochende Brühe um, in der die Silberkrone blitzte, dann wandte er sich um, sah forschend in Markétas Richtung und zog mit einer schnellen Bewegung das Steinkind zu sich heran.
    Er drückte es mit dem Rücken auf die Tischplatte, nahm den fleischfarbenen Leinwandfetzen und presste ihn auf das schwärzlich verschrumpfte Gesicht. Auch der Grunzlaut, den er nun ausstieß und der unverkennbar Befriedigung ausdrückte, erinnerte Markéta an ein wildes Tier. Tatsächlich entsprachen Größe und Umriss des leeren Ovals so genau dem Lederfrätzlein, als ob der Satansbalg und nicht er selbst dem Maler Modell gesessen hätte.
    Offenbar hatte er den Leinwandfetzen vorher mit Leim bestrichen; als er den Fetus hochhob, blieb die Gesichtsscheibe auf dem Frätzlein kleben. Wieder hielt Julius den Satansbalg vor seine Augen, wie vorhin im Burghof, diesmal aber redete er mit fiebriger Eile auf ihn ein:
    »Nihil meherde vita est aliud, nisi mummia quaedam balsamita, conservans mortale corpus a mortalibus vermibus et aestphara, cum impressa liquoris sallium commistura.«
    Er schwenkte das Knäblein hin und her und drückte ein Ohr an seine Brust. Dann schüttelte er den Kopf, seine Miene blieb unverändert, und doch spürte Markéta, dass ihn Unruhe befiel.
    Hinter ihm kochte noch immer die Silberkrone im Glasballon, Julius aber hielt das Knäblein in die Höhe, als ob er es den himmlischen Mächten übereignen wollte, und begann in fiebrigem Singsang zu leiern: »Sei gegrüßt, Geist, der vom Himmel bis auf die Erde dringt und von der Erde bis zu den Grenzen des Abgrundes. Sei gegrüßt, väterlicher Geist, der in mich dringt und mich erfasst und von mir scheidet nach Gottes Willen in Güte. Sei gegrüßt, des Sonnenstrahles Dienst, Beglänzung der Welt. Sei gegrüßt, des nächtlich scheinenden Mondes ungleich leuchtender Kreis! O großes, größtes, kreisförmiges, unbegreifliches Gebilde der Welt! Himmlischer Vater, im Himmel befindliche, ätherische, im Äther befindliche, wassergestaltige, erdgestaltige, feuergestaltige, windgestaltige, lichtgestaltige, dunkelgestaltige, wie Sterne glänzende, feucht-feurig-kalte väterliche Majestät: Ich preise dich, du Gott der Götter, der die Welt gegliedert hat, der donnert, der blitzt, der regnet, der erschüttert, der lebendige Wesen erzeugt. Ich beschwöre dich, Gott der Äonen, Herrscher des Alls, nimm diesen Sohn und blas ihm deinen Lebensodem ein! Et iste filius servabit te in domo tua ab initio in hoc mundo et in alio.«
    Schon bei der Beschwörung von »Gottes Willen in Güte« hatte Julius zu schreien begonnen, mit fremder, pfeifender Stimme, und nun
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