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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau
Autoren: Andreas Gößling
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früher, auch wenn sie beide, Vater und Tochter, noch immer so weiterzuleben versuchten, als ob Bianca bei ihnen wäre.
    »Lass den Puppenmacher in Ruh!«, zischte der Bader, indem er mit der Schulter die Tür schloss. »Wie oft soll ich’s dir noch sagen: Der Russe bringt uns Münzen und Kundschaft ins Haus!«
    Münzen und Kundschaft? Markéta holte Luft, um dem Vater gehörig herauszugeben, aber sein Gesicht sah auf einmal so angespannt aus, dass sie alle Empörung vergaß.
    »Kleide dich an, Kind, mach rasch!« Sein gewaltiger Schnauzbart bebte, ebenso wie der Bauch unterm Nachtgewand, das von Schweiß und Badewasser gedunkelt war. »Du musst den Wächtern hinterher – schnell, bevor sie im Rathaus den Nabellosen melden!«
    Markéta sah ihn an, die Brauen zusammengezogen, und wieder empfand sie, dass der Vater sich anders als gewöhnlich benahm. Warum war er nur so sehr drauf erpicht, den Fremdling zur Burg hinaufzubringen? Und wieso um alles in der Welt schaute er dabei wie ein ertappter Sünder drein? Fieberhaft dachte Markéta nach, während der Vater die Hände ineinander knetete. Endlich sagte sie, mit gedämpfter Stimme wegen des Puppenmachers, der unten im Zuber die Ohren spitzen mochte:
    »Ich werd ihnen schon klarmachen, dass wir den Fremden zur Burg raufbringen – und dass sie besser ihre Mäuler halten und sich nicht einmischen sollen. Wie stünden sie schließlich da, wenn herauskäme, dass sie sich einfach davongestohlen haben? Sie werden schon den Mund halten, wenn …«
    »… sie nicht längst geschwätzt haben!«, fiel ihr der Bader beinahe schreiend ins Wort.
    »Psst, Vater!« Markéta deutete zur Tür. Als sie den Schrecken in seinem Gesicht sah, trat sie so nah an ihn heran, dass sie mit der Schläfe seine Schulter berührte. »Sorg dich nicht«, wiederholte sie flüsternd, »ich bringe draußen alles in Ordnung – kümmer du dich hier drinnen um Hezilow.«
    Und um Flor!, ergänzte sie in Gedanken, eilte in ihre Schlafkammer und streifte sich noch im Laufen das Nachtgewand über den Kopf. Gedämpft hörte sie, wie draußen die Tür aufgezogen und wieder geschlossen wurde, dann die schweren Schritte des Vaters auf der Stiege und gleich darauf Hezilows pfeifende Stimme, auf die der Bader mit dunklem Brummen antwortete.

  5
     
     
    Mitten auf der Brücke vorm Badehaus wurden ihre Schritte langsamer, sie selbst spürte es und wunderte sich darüber: als ob eine unsichtbare Kraft sie zurückhielte.
    Sie stemmte sich gegen die magische Hemmung und lief weiter, ein wenig vorgebeugt, als kämpfte sie gegen starken Wind. Flor, dachte sie, und es war weniger ein Gedanke als ein inneres Bild, ein Gewirr zarter Nebelfarben. Und doch schien es ihr plötzlich, als säße der Fremde nicht im Gewölbe unter den Zubern, sondern wäre hier bei ihr, neben ihr schwebend, auf der Brücke im Vormittagslicht, zehn Schritte vor den beiden Wächtern, die ihr mit erwartungsvollem Grinsen entgegensahen.
    Durch ihn, Flor, hat sich alles geändert, von einem Augenblick zum nächsten, mein Leben, die ganze Welt, dachte sie und musste lächeln über so viel mädchenhafte Schwärmerei. In ihrer Verwirrung war sie weitergegangen, fast ohne es zu bemerken. Als sie aufsah, standen vor ihr die beiden Wächter, deren Mienen unter ihrem Blick mit einem Mal gefroren.
    Vergesst den Burschen, hatte sie sagen wollen, den ihr vorhin gebracht habt. Stattdessen stand sie nur dumm und stumm vor den Bütteln, die ihre Helme weit aus der Stirn geschoben und ihre Fäuste auf die Hüften gestemmt hatten, wo Messer und Knüppel unterm Schweinsledergurt staken.
    Markéta schüttelte den Kopf, verwundert, wie wenn man aus Traumes Täuschung erwacht. Diese Wächter – sie kannte die beiden jungen Männer; Jan Mular hieß der Kleinere, Rundliche, Mikesch Slatava der fuchshaarige Schlacks. Vor vielen Jahren hatten sie gemeinsam die Bibelstunden bei Pater Hasek besucht, in der ehrwürdigen St.-Jost-Kirche auf der anderen Flussseite, just gegenüber ihrem Elternhaus. Aber wie war es nur möglich? Eben noch hatte sie genau an dieser Stelle, am südlichen Ende der Holzbrücke, die beiden ältlichen Wächter gesehen, die in der Frühe den Fremden zum Badehaus gebracht hatten – und nun standen, wie aus dem Boden gewachsen, diese Gefährten aus frühen Jahren vor ihr!
    Ratlos sah sie von Jan zu Mikesch, die ihrerseits betretene Blicke wechselten.
    »Gott und dem Kaiser zum Gruß, Markéta«, bemerkte endlich Mikesch, »lange Zeit waren wir fern
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