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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Autoren: Tad Williams
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ergoss. Mit lautem Rauschen stürzte er über die Felsen. Ein kleines Stück weiter, dort, wo die stürmische Mündung des Flusses es nicht mehr erreichen konnte, lag ein kleines silbergraues Boot vor Anker. »Einmal in vielleicht hundert Wintern«, erklärte Aditu, »wenn die Regengüsse besonders heftig sind, wird das Land um Sesuad’ra überflutet. Allerdings geschieht das in diesem Jahr bestimmt zum allerersten Mal zu einer Zeit, in der Reniku, die Sommerlaterne, am Himmel steht.« Sie drehte sich um, als wollte sie die Gedanken, die ihr so deutlich im Gesicht geschrieben standen, dass selbst ein Sterblicher sie lesen konnte, nicht zeigen. »Wir haben deshalb an einigen Stellen diese Hiyanha – diese Boote –, damit jeder, der Sesuad’ra besuchen will, es auch dann tun kann.«
    Simon legte die Hand auf das kleine Boot und fühlte die glatte Maserung der Bretter unter den Fingern. Ein Paddel aus dem gleichen silbrigen Holz lag im Rumpf. »Und Ihr seid sicher, dass ich dorthin muss?«, fragte er. Auf einmal hatte er nicht die geringste Lust, Abschied von ihr zu nehmen.
    »Ja, Seoman.« Sie streifte die Tasche ab, die sie über der Schulter getragen hatte, und reichte sie ihm. »Das ist für dich – nein«, berichtigte sie sich, »nicht für dich persönlich. Du sollst sie deinem Prinzen Josua bringen, von Amerasu. Sie sagte, er werdewissen, was er damit anzufangen habe – und wenn nicht jetzt, dann doch bald.«
    »Amerasu? Sie hat das geschickt?«
    Aditu legte ihm die Hand auf die Wange. »Nicht ganz, Seoman. Erste Großmutter gab es mir. Ich sollte es ihm bringen, falls du unser Gefangener bleiben müsstest. Aber nachdem du nun frei bist, reiche ich sie an dich weiter.« Sie streichelte sein Gesicht. »Um deinetwillen bin ich froh, dass du gehen durftest. Es hat mir wehgetan, dich so unglücklich zu sehen. Aber es war schön, dich kennenzulernen – etwas sehr Seltenes.« Sie beugte sich vor und küsste ihn. Trotz allem, was geschehen war, fühlte er sein Herz schneller schlagen, als ihr Mund den seinen berührte. Ihre Lippen waren warm und trocken und schmeckten nach Minze.
    Sie trat zurück. »Leb wohl, Seoman. Ich muss nach Hause, um zu trauern.«
    Bevor er auch nur die Hand heben und ihr nachwinken konnte, hatte sie sich umgedreht und war zwischen den Bäumen verschwunden. Eine kleine Weile sah er ihr nach und suchte nach irgendeinem Zeichen ihrer schlanken Gestalt, aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Schließlich bestieg er das kleine Boot. Die Tasche, die sie ihm gegeben hatte, legte er in den Rumpf. Sie war schwer, aber er war zu müde und traurig, um auch nur einen Blick hineinzuwerfen. Wie schön wäre es doch, dachte er, hier im Boot friedlich einzuschlafen, am Rande des großen Waldes. Ein Segen, zu schlummern und ein Jahr und einen Tag lang nicht mehr aufzuwachen. Aber stattdessen griff er nach dem Paddel und trieb das Boot ins ruhige Wasser hinaus.
    Der Nachmittag verging, und durchdringende Abendkälte senkte sich herab. Als Simon auf den immer tiefer werdenden Schatten des Sesuad’ra zuglitt, fühlte er, wie das Schweigen der Winterwelt ihn einhüllte, bis er das einzige lebende, atmende Wesen auf der Oberfläche Osten Ards zu sein glaubte.
    Lange Zeit merkte er nicht, dass sich vor ihm am dämmrigen Ufer Fackeln bewegten. Als er sie endlich entdeckte, war er nahe genug, um die Stimmen zu hören. Seine Arme waren so kalt und taub, dasser das Gefühl hatte, er könne nicht mehr weiterpaddeln, aber dann schaffte er doch noch ein paar letzte Schläge, und eine große Gestalt – Sludig? – watete vom felsigen Strand ins Wasser und zog ihn an Land. Er wurde aus dem Boot gehoben und die Uferböschung halb hinaufgetragen. Ein Heer fackelbeschienener, lachender Gesichter umringte ihn. Sie kamen ihm bekannt vor, aber er meinte schon wieder zu träumen. Erst als er die kleinste der Gestalten sah, begriff er, wo er war. Er stolperte vorwärts, riss Binabik in die Arme und weinte, ohne sich zu schämen.
    »Simon-Freund!«, lachte Binabik und klopfte ihm mit den kleinen Händen den Rücken. »Qinkipa ist gut! Freudevoll! Freudevoll ist das! In den Tagen, seit ich hierherkam, hatte ich die Hoffnung auf dich fast verloren.«
    Simon schluchzte und brachte kein Wort hervor. Erst als er sich ausgeweint hatte, setzte er den kleinen Mann endlich wieder ab. »Binabik«, sagte er mit rauher Stimme, »ach, Binabik. Ich habe Schreckliches erlebt.«
    »Nicht jetzt, Simon, nicht jetzt.« Der Troll packte ihn
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