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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition)
Autoren: Jeron North
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kleine Gerberei in Glockschütz betrieben. Pauls Vater war selbständig im Kürschnerhandwerk gewesen, dessen Vornamen ich nie kannte. Papa war erst vierzehn Jahre alt, als er seinen Vater verlor, der 1919 an den Folgen einer Verschüttung im Ersten Weltkrieg starb.
       Pauline hatte nicht genügend Geld, um ihn obduzieren zu lassen. Wenn es sich nicht um Kriegsfolgen gehandelt hätte, wären ihr die Kosten zugeschoben worden. Die Erfahrung anderer Kriegswitwen zeigte, dass die Behörden nur höchst selten die Obduktionskosten übernahmen. So bekam sie keine Kriegsrente, die ohnehin nur sehr gering gewesen wäre. Eine Wiederheirat schien ihr der einzige Ausweg, zumal sie ihrem Sohn Otto die kleine Gerberei überlassen wollte. Sie hatte sie bis zu seiner Heirat selbst weitergeführt.

    Fabrikarbeiter 1912 mit Pauline und Sohn Otto ganz rechts
     
       Mamas Eltern waren Emil und Klara Löffel. Mama hatte als erste ihrer sieben Geschwister geheiratet und war zweiundzwanzig Jahre jung, als sie sich mit Papa, damals vierundzwanzig, im Februar 1929 vermählte.
       Emil Löffel starb am 13.7.1915 während des Ersten Weltkriegs an den Folgen einer Cholera-Epidemie in Belverne, Frankreich. Die Nachricht seines Todes kam erst am 16.10.1916, seine Leiche wurde jedoch nie gefunden.
       Sogar eine Urgroßmutter Auguste gab es noch und sie hütete manchmal meine Schwester Ruth. Einmal wäre Ruth am Misthaufen beinahe in die Jauchegrube gefallen, als die Urgroßmutter herbeieilte und sich bei der Rettungsaktion den Oberschenkel brach. Sie verstarb kurze Zeit später in einem Breslauer Krankenhaus.
       Ruth wurde am 16. April 1929 in Klein-Bischwitz geboren und lebte bis zu ihrem fünften Lebensjahr die Woche über bei Großmutter Klara und ihren noch nicht verheirateten Kindern. Das Wohnhaus in Glockschütz wurde erst gebaut, als die Gerberei fertiggestellt war und so gab es keinen geeigneten Platz für die kleine Ruth. Jeden Samstag wurde sie von Papa nach Glockschütz geholt. Mama arbeitete immer im Betrieb mit und konnte nicht auf Ruth aufpassen. Die Klein-Bischwitzer liebten Ruth und verwöhnten sie, denn sie war die erste Enkelin und der Mittelpunkt des Haushalts!
       Ruth war schlank und hatte schwarzes, leicht welliges Haar. Wir beide hatten unsere Betten im elterlichen Schlafzimmer, wobei mein Kinderbett aus Stahlrohren und einem feinen Metallgitter an den Seiten gefertigt war. Meine Großmutter Pauline schaukelte es immer, um mein Einschlafen zu beschleunigen, bis ich eines Abends sagte:
    „Jetzt hör auf zu rütteln, ich will schlafen.....!“
       Als ich einmal Keuchhusten hatte, lag ich zwischen meinen Eltern, wobei mich Mama bei einem Anfall aufsetzte, damit ich nicht erstickte. Die heute erhältlichen Medikamente gab es damals noch nicht. Ich bekam Tropfen von unserem Hausarzt, die aber nicht spürbar halfen und irgendwie wurde ich nach einiger Zeit wieder gesund.
       Im Frühling 1925 hatte sich Papa 3000 Reichsmark von einem Mann namens von Schweinichen geliehen, der der reichste Mann in der Gegend war und keine Sicherheiten verlangte. Die Banken hätten Papa kein Geld gegeben. So konnte er im Alter von nur neunzehn Jahren am ersten Mai seine erste eigene Gerberei in Glockschütz gründen.
    Der Anfang war sehr hart und die finanziellen Verhältnisse besserten sich erst nach der Wirtschaftskrise 1929. Papa und auch sein Bruder Otto, der die elterliche Gerberei übernommen hatte, bekamen ausreichend Aufträge von den Breslauer Kürschnern und besonders Papa verstand es hervorragend, Geld zu verdienen und zu investieren.
       Unsere Familie bewohnte nur das Erdgeschoss in diesem Haus in Glockschütz, oben lebten Onkel Paul und Tante Trude, die Schwester meiner Mutter. Tante Trude backte die besten Kuchen und Torten und ich freute mich immer, wenn sie mir Buttercreme direkt in den Mund gab. Der Genuss war einfach unübertrefflich! Sie hatte meistens Zeit, wenn sie im Haus war und ich roch hin und wieder in ihre Wohnung hinein, um herauszufinden, wann es den nächsten Kuchen schob. Alle anderen waren beschäftigt und so konnte ich immer die erste sein.

    Ingeborg und Tante Emma 1937
     
       Wir hatten in dieser Zeit ausreichend und gut zu essen. Uns ging es so gut, dass wir in den Ferien ein Mädchen mit Namen Irmgard Reiter, die in Ruths Alter war, jedes Jahr bei uns aufnahmen. Sie schlief auf der Chaiselongue in Papas Arbeitszimmer und ihre wenige Kleidung fand in einem Büroschrank Platz.
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