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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel
Autoren: Michael Borlik
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vermisste, um zu verstehen, was in ihm vorging. »Finn, bitte«, flehte sie. »Erinnere dich, was Cornelius gesagt hat. Einem Menschen gegenüber fühlt sich Lucia nicht an ihre Versprechen gebunden.« Langsam wandte er ihr das Gesicht zu. Unendlicher Kummer lag in seinen bernsteinfarbenen Augen. »Amy, ich …«
    »Nein.« Amy schüttelte so energisch den Kopf, dass ihre schwarzen Locken wild hin und her flogen. »Ich lasse dich nicht gehen. Niemals.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Du gehörst zu mir, ZU MIR!«
    Finn sah sie erstaunt an. »Meinst du das ernst?«
    Sie nickte heftig.
    Plötzlich spielte ein Lächeln um Finns Mundwinkel. Langsam wandte er Lucia das Gesicht zu. »Ich habe meine Familie längst gefunden«, erklärte er entschieden.
    »Narr!«, spie sie hervor und blickte sich mit funkelnden Augen um. »Allesamt seid ihr Narren.«
    »Lucia, siehe deine Niederlage endlich ein«, bat Cornelius sie eindringlich. »Gemeinsam könnten wir …«
    »Niemals!« Sie trat noch weiter von ihm weg, zurück in die Mitte der anderen Engel. »Wenn hier kein Platz mehr für uns ist, soll auch für niemanden sonst Platz in dieser Welt sein.«
    »Das … kannst du nicht tun«, brach es mit zittriger Stimme aus Cornelius heraus. Dann drehte er sich mit schreckensweiten Augen hastig zu Amy um. »Beende es. Schnell, bevor sie noch größeres Unheil anrichten kann!«
    Amy nickte traurig. Dies war der Moment des Abschieds. Sie würde Cornelius nie Wiedersehen, denn der Fluch würde alle Engel in ein tausendjähriges Gefängnis bannen. Und dennoch lächelte Cornelius so fröhlich und zuversichtlich, als gäbe es nichts zu bedauern. Amy musste die Lippen fest aufeinanderpressen, um den zornigen Aufschrei zurückzuhalten, der ihre Kehle emporkroch. Sie funkelte Lucia und ihre Engel an, die an all dem Unglück schuld waren. Inzwischen hielten sie einander an den Händen und ein Leuchten war um ihre Gestalten herum erwacht. Was immer die Engel da taten, es konnte nichts Gutes bedeuten. Sie sah Finn und den Prinzen an. »Jetzt kommt es auf uns an.«
    Amy begann und Finn und der König fielen mit in die Worte ein:

    »Hört uns, ihr Engel, die ihr wandelt auf Erden.
    Aus Stein sind eure Herzen, zu Stein sollt ihr werden. «

    Die Erde erbebte und die Welt begann sich vor Amys Augen zu verzerren, wie ein Gemälde, an dem von allen Seiten gerissen wird. Doch kam das nicht durch den Fluch. Zu ihren Seiten stöhnten Finn und der junge König schmerzgepeinigt auf, als die zerstörerische Magie der Engel über sie hinwegrollte. Amy verstärkte den Griff um ihre Hände, die ihr zu entgleiten drohten, als die beiden auf die Knie sackten. Dann sah sie ein letztes Mal zu Cornelius hinüber. Leb wohl, dachte sie. »Kommt schon, ihr schafft das«, ermahnte sie Finn und den König. »Sprecht mir einfach nach!« Die beiden nickten stöhnend.

    »Tausend Jahre soll dieser Fluch euch binden. Alleine mit euren Gedanken, um zu euch selber zu finden. «

    Die Schreie der Engel hallten durch die Kathedrale. Sie waren voller Wut, Qual und Entsetzen. Und schon einen Augenblick später war alles still.
    »Es ist vorbei«, murmelte Amy matt. Sie sank zu Boden und die Welt um sie herum verlor sich in Dunkelheit. Das Letzte, was sie hörte, war Finn, der angstvoll ihren Namen schrie.

Zu Hause
    Es war ein besonderer Tag. Der schönste in Amys Leben. So kam es ihr wenigstens vor. Zusammen mit Finn stand sie vor dem Tor der alten Festung und wartete darauf, dass ihr Vater endlich herauskam. König Henry hatte seine Entlassungspapiere am Morgen persönlich unterschrieben, nachdem Amy gestern sein Leben gerettet hatte. Auch jene, die als verschwunden gegolten hatten, in Wahrheit jedoch von den Verschwörern eingekerkert worden waren, weil sie ihnen entweder auf die Schliche gekommen waren oder nicht mit ihnen hatten zusammenarbeiten wollen, sollten heute freikommen. Amy war schon ganz aufgeregt. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, weil sie es nicht erwarten konnte, ihren Vater endlich wieder in die Arme zu schließen. Selbst der schale Geruch des Abwassers, der vom Fluss zu ihnen hinüberwehte, konnte ihr die gute Laune nicht verderben. Immer wieder zupfte sie an Finns Ärmel und murmelte: »Warum dauert es so lange?«
    »Vielleicht gibt es ja einen Hinterausgang und er wartet schon zu Hause auf dich«, zog er sie auf.
    »Meinst du?« Sie sah ihn erschrocken an.
    Finn fing an zu lachen. »Hier gibt es keinen Hinterausgang. Ich hab nur Spaß
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