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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel
Autoren: Michael Borlik
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war sich sicher, dass er nur ihr zuliebe auf Magie verzichtete.
    Die Türglocke läutete. Wer konnte das sein?
    »Ich gehe«, verkündete Amy.
    Vor der Tür stand ein junger Mann in einem indigoblauen Anzug.
    »Cornelius!«, rief Amy fassungslos. Im nächsten Moment breitete sich ein glückliches Grinsen auf ihrem Gesicht aus und sie fiel dem Engel um den Hals. »Wie bist du dem Fluch entkommen?«
    »Ich weiß nicht.« Er zuckte leicht die Achseln. »Vielleicht war es einfach nur Glück.«
    Doch an Glück wollte Amy bei so einem mächtigen Zauber nicht glauben. Etwas anderes musste Cornelius gerettet haben. Aus Stein sind eure Herzen, zu Stein sollt ihr werden, echote es plötzlich in ihrem Kopf. Amy blinzelte verwundert. Über Cornelius konnte man in der Tat vieles sagen: dass er ein wenig verrückt war und immer für eine Überraschung gut. Aber ein Herz aus Stein hatte er gewiss nicht. War er deshalb verschont worden? »Oh, ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dich zu sehen.« Sie ergriff seine Hand, um ihn ins Haus zu ziehen, doch Cornelius rührte sich nicht von der Stelle.
    Fragend blickte sie zu ihm auf. »Ich bin auch froh, dich wiederzusehen, Amy. Allerdings …« Es fiel ihm sichtlich schwer, weiterzusprechen. Er räusperte sich verlegen. »Allerdings bin ich nur gekommen, um mich zu verabschieden.«
    Amys Grinsen erstarb. Irgendwie hatte sie geahnt, dass er so etwas sagen würde. Sie seufzte. »Ich werde dich vermissen.«
    »Das musst du nicht. Du hast deinen Vater und Finn.« Er lächelte aufmunternd, aber der Knoten, der sich bei seinen Worten in Amys Bauch gebildet hatte, ließ sich nicht so leicht vertreiben. »Was hast du jetzt vor?«
    »Erst einmal muss ich herausfinden, ob für jemanden wie mich noch Platz in dieser Welt ist.«
    »Werden wir uns irgendwann Wiedersehen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
    Amy presste die Lippen aufeinander und nickte. »Was ist mit den anderen? Lucia und … du weißt schon.«
    »Hast du etwa Mitleid mit ihnen?«
    Sie wich seinem Blick aus. »Sie wollten die Welt vernichten und sicherlich haben sie es verdient, bestraft zu werden. Aber dieser Fluch ist so entsetzlich. Wenn ich mir vorstelle …« Sie brach ab.
    »Ich verstehe nur zu gut, was du meinst. Allerdings birgt der Fluch auch Hoffnung.«
    »Du glaubst, Lucia könnte sich ändern?«
    »Wie ich schon einmal sagte: Sie war nicht immer so, wie du sie kennengelernt hast. Vielleicht werden sie und die anderen eines Tages verstehen, so, wie ich verstanden habe. Außerdem hatte ich vorhin eine Unterhaltung mit dem König.«
    Amy horchte auf.
    »Er wird die Engel aus der Kathedrale fortbringen lassen, und zwar an einen Ort, von dem ich hoffe, dass er meinen Brüdern und Schwestern die Augen öffnen wird.«
    Sie musterte den Gaukler neugierig. »Und wo ist der?«
    Cornelius schüttelte jedoch nur den Kopf, dann pflückte er aus der leeren Luft eine violette Rose und überreichte sie Amy zum Abschied. »Es wird Zeit, Lebewohl zu sagen.«
    Sie nahm die Blume und sah ihm nach, wie er davonging. »Auf Wiedersehen, Cornelius«, murmelte sie, als er am Ende der Straße aus ihrem Blickfeld verschwand. Gedankenverloren roch sie an der Rose und musste heftig niesen, als sie sich in flirrenden Silberstaub verwandelte, der vom Wind davongetragen wurde. Schmunzelnd schloss sie die Haustür hinter sich.
    »Wer war das?«, wollte Finn wissen, als sie zurück in der Küche war.
    »Nur ein Freund. Ich erzähle euch später von ihm.« Amy setzte sich auf ihren Platz, wo eine Tasse mit dampfendem Pfefferminztee für sie bereitstand. Sie wollte gerade einen vorsichtigen Schluck nehmen, als die Türglocke erneut ertönte. Hatte Cornelius es sich etwa anders überlegt? Amy sprang von ihrem Stuhl auf und lief erneut zur Haustür. Dieses Mal folgte ihr Finn neugierig.
    »Schön, euch wiederzusehen, Kinder.«
    Es war Mr Burbridge, der kleine maulwurfgesichtige Bibliothekar. Seit dem Feuer in der Bibliothek hatte Amy nichts mehr von ihm gehört. Sie war erleichtert, ihn wohlauf zu sehen, und schüttelte seine dürre Hand so kräftig, dass ihm die Brille auf der Nase verrutschte. Lachend rückte er sie wieder zurecht. »Ist es wahr, kleine Amy?«, fragte er mit vor Aufregung zittriger Stimme. »Ist dein Vater wieder daheim?«
    »Kommen Sie herein, Mr Burbridge, dann können Sie sich selber davon überzeugen.« Sie führte ihn in die Küche, wo er ihrem Vater mit einem erleichterten Lächeln entgegentrat.
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