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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie
Autoren: Mary Higgins Clark
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ich versuchte, nicht in Rob
Westerfields Richtung zu schauen. Er starrte mich die
ganze Zeit über an; ich konnte den Hass spüren, der von
ihm ausging.
    Und ich könnte schwören, dass ich die Gedanken meiner
Eltern lesen konnte, die hinter dem Staatsanwalt saßen:
Ellie, du hättest es uns sagen müssen; du hättest es uns
sagen müssen.
    Die Verteidiger versuchten, meine Aussage niederzu
machen. Sie führten aus, Andrea habe oft einen Anhänger
getragen, den mein Vater ihr geschenkt hatte, und dieser
habe sich auf ihrem Schminktisch befunden, als die Leiche
gefunden wurde. Sie sagten, ich würde Geschichten
erfinden oder Geschichten wiedergeben, die mir Andrea
über Rob erzählt hätte.
    »Andrea hat den Anhänger getragen, als ich sie gefunden
habe«, beharrte ich. »Ich konnte ihn spüren.« Dann brach
es aus mir heraus: »Deshalb bin ich auch sicher, dass es
Rob Westerfield gewesen sein muss, der in der Garage
war, als ich Andrea fand. Er ist zurückgekommen wegen
des Anhängers.«
    Robs Anwälte erhoben wütend Einspruch, und diese
Bemerkung wurde aus dem Protokoll gestrichen. Der
Richter forderte die Geschworenen auf, die letzte Aussage
in keiner Weise zu berücksichtigen.
    Hat irgendeiner der Anwesenden geglaubt, was ich
damals über den Anhänger, den Rob Andrea geschenkt
hatte, erzählt habe? Ich weiß es nicht. Der Fall ging an die
Geschworenen, und diese berieten sich fast eine Woche
lang. Wir erfuhren, dass ein paar der Geschworenen
zunächst eher dazu neigten, auf Totschlag zu erkennen,
der Rest aber auf einer Verurteilung wegen Mordes
bestand. Die Mehrheit war davon überzeugt, dass Rob den
Wagenheber in die Garage mitgenommen hatte, weil er
von vornherein die Absicht hatte, Andrea zu töten.
    Als Westerfield die ersten Gesuche für eine vorzeitige
Haftentlassung auf Bewährung einreichte, hatte ich das
Prozessprotokoll studiert und mit vehementen Briefen
gegen seine Freilassung protestiert. Da er jedoch mittler
weile fast zweiundzwanzig Jahre abgesessen hatte, war
mir klar, dass dem Gesuch diesmal stattgegeben werden
könnte, und aus diesem Grund war ich nach Oldham-onthe-Hudson zurückgekehrt.
    ICH BIN DREISSIG JAHRE alt, lebe in Atlanta und
arbeite als Reporterin bei den Atlanta News. Der
Chefredakteur, Pete Lawlor, hält es bereits für eine
persönliche Beleidigung, wenn einer der Angestellten
seinen Jahresurlaub nimmt. Daher hatte ich mit einem
handfesten Wutausbruch gerechnet, als ich ihm sagte, dass
ich sofort ein paar freie Tage benötigte und später
vielleicht noch ein paar mehr.
    »Wollen Sie heiraten?«
Ich sagte, das sei das Letzte, was ich im Sinn hatte.
»Worum geht es dann?«
Ich hatte niemandem bei der Zeitung etwas über mich
und meine Geschichte erzählt, aber Pete Lawlor war einer
dieser Menschen, die immer alles über alle Leute zu
    wissen scheinen. Er war einunddreißig Jahre alt, litt unter
fortgeschrittener Glatzenbildung, kämpfte ständig mit
seinen zehn überschüssigen Pfunden und war vermutlich
der klügste Mann, dem ich je begegnet bin. Ich war erst
ein halbes Jahr bei den News und hatte gerade eine Story
über den Mord an einem Teenager beendet, als er beiläufig
zu mir sagte: »Das muss nicht leicht für Sie gewesen sein,
diesen Artikel zu schreiben. Ich weiß Bescheid über die
Geschichte mit Ihrer Schwester.«
    Er hatte keine Antwort erwartet, und ich hatte ihm auch
keine gegeben, aber dennoch hatte er mich sein Mitgefühl
spüren lassen. Das war ein wirklicher Trost gewesen, denn
der Auftrag hatte mich in der Tat sehr aufgewühlt.
    »Andreas Mörder hat Haftentlassung beantragt. Ich
fürchte, dass sie ihm diesmal gewährt wird, und ich
möchte versuchen, irgendetwas dagegen zu unternehmen.«
    Pete lehnte sich zurück. Er trug stets ein Hemd mit
offenem Kragen und Pullover. Ich hatte mich schon
gefragt, ob er überhaupt ein einziges Sakko sein Eigen
nannte. »Wie lange sitzt er schon?«
    »Fast zweiundzwanzig Jahre.«
»Wie oft hat er schon Haftentlassung beantragt?«
»Zweimal.«
»Irgendwelche Probleme während der Haft?«
Ich fühlte mich wie eine Schülerin, die gerade abgefragt
    wird. »Nicht dass ich wüsste.«
»Dann wird er wahrscheinlich rauskommen.«
»Das glaube ich auch.«
»Warum dann der ganze Aufstand?«
»Ich kann nicht anders.«
    Pete Lawlor hält nicht viel davon, Zeit oder Worte zu
verschwenden. Er stellte keine weiteren Fragen. Er nickte
nur. »Okay. Wann ist die Anhörung?«
    »Die
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