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Denn rein soll deine Seele sein

Denn rein soll deine Seele sein

Titel: Denn rein soll deine Seele sein
Autoren: Faye Kellerman
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Chauvi wie manch anderer Kollege.
    Decker sah zu den beiden Männern hinüber. Sie hatten sich, seit er vor einer halben Stunde hereingekommen war, nicht vom Fleck gerührt. Der Jüngere wiegte sich noch immer hin und her, während der Rabbi mit ihm flüsterte. Sie nahmen Decker zunächst gar nicht zur Kenntnis, aber der Detective war ein geduldiger Mensch. Er wußte aus Erfahrung, daß man mit Geduld, auch wenn es Zeit kostete, oft mehr erreichte, und darauf kam es letztlich an.
    Außerdem zog ihn nichts nach Hause zurück. Die Pferde waren gefüttert und gestriegelt, Ginger, der Setterhündin , hatte er Futter in den Napf getan. Gleich nach seiner Tochter war ihm die Ranch mit ihren Tieren das Liebste auf der Welt. Er liebte das sonnendurchflutete Wohnzimmer, den würzigen Duft der Zitruspflanzung, die Ausritte. Die schweißtreibende körperliche Arbeit war wie eine Reinigung nach all dem Schmutz und Unrat seines beruflichen Alltags.
    Doch die Nächte waren einsam. Er kannte einige Frauen, die ihm - immer nur zeitweise - ein wenig darüber hinweghalfen, doch immer häufiger ließ er sich nach Sonnenuntergang noch einmal im Revier sehen. So auch heute Abend.
    Decker setzte sich in den Polstersessel, in dem Mrs. Lazarus ihre Klassenarbeiten korrigiert hatte. Sie war also Lehrerin. Hätte er sich fast denken können, so gouvernantenhaft - zugeknöpft, wie sie angezogen war. Im Gegensatz zu den anderen Frauen wirkte sie allerdings bedeutend weltlicher. Er versuchte, sie sich außerhalb der Jeschiwa vorzustellen. In Jeans vielleicht, mit hautengem Pulli, oder in einem knappen Bikini... Bestimmt hatte sie einen hübschen Po. Einen Augenblick ließ er seiner Phantasie die Zügel schießen, dann riß er sich zusammen. Sie war fromm. Und verheiratet. Mist. Während seiner Ehe hatte er den Eindruck gehabt, daß der weibliche Teil der Bevölkerung nur aus Singles bestand, jetzt war er wieder ungebunden und mußte feststellen, daß die nettesten Mädchen alle schon vergeben waren.
    Irgendwie hinkte er immer einen Schritt hinterher. Nicht nur im Privatleben, sondern auch im Beruf. So ging es ihm auch mit dem Sittenstrolch, der in Foothill sein Unwesen trieb. Immer, wenn Decker glaubte, ihm auf die Spur gekommen zu sein, wechselte der Kerl die Taktik und ging ihm wieder durch die Lappen. Ob dieser Fall auch auf sein Konto ging? Unwahrscheinlich. Die früheren Vergewaltigungen waren in Sylmar gewesen, westlich von hier und ziemlich weit entfernt. Aber ausschließen durfte er die Möglichkeit nicht.
    Der Rabbi redete noch immer. Was mochte er wohl zu dem Ehemann sagen? Das Leben geht weiter... Du wirst es überleben, so wie sie es überlebt hat... Decker konnte dem jungen Mann Wut, Frust und Hilflosigkeit nachfühlen. Er hatte mit Hunderten von Männern in der gleichen Situation gesprochen.
    Endlich gelang es Decker, die Aufmerksamkeit des Rabbis auf sich zu lenken, der ihm freundlich zunickte. Es dauerte dann noch zehn Minuten, bis sich der Rabbi erhob und Mr. Adler wortlos den Raum verließ.
    Der Rabbi war groß, nicht so groß wie Decker, aber mindestens eins achtzig. Decker schätzte ihn auf Anfang Siebzig. Ein langer, graumelierter Bart verdeckte den größten Teil des Gesichts. Was davon zu erkennen war, glich einer zerklüfteten Landschaft. Die dunkelbraunen Augen unter buschig - weißen Brauen waren wach und klar. Er hielt sich für sein Alter sehr gerade und war äußerst korrekt gekleidet. Die schwarzen Hosen hatten eine messerscharfe Bügelfalte, das weiße Hemd war gestärkt, der schwarze Gehrock gut geschnitten. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Homburg. Alles in allem war er eine würdige, sehr eindrucksvolle Erscheinung.
    »Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.« Der Rabbi gab Decker die Hand. Sein Händedruck war fest und trocken. Er sprach mit leichtem Akzent. »Das ist eine böse Angelegenheit.«
    »Wie hat er es aufgenommen?«
    »Zvi Adler hat einen Schock, es ist fast so schlimm wie bei seiner Frau. Er ist wie betäubt. Was kann ich für Sie tun?«
    Decker holte seine Zigaretten heraus und bot sie dem Rabbi an, doch der schüttelte den Kopf.
    »Das sind keine Zigaretten. Der Tabak ist gespritzt, verwässert, behandelt und durch den Filter verfälscht.« Er holte ein silbernes Etui hervor und ließ es aufschnappen. Ein Dutzend handgerollte Zigaretten kamen zum Vorschein. »Probieren Sie mal was Echtes.«
    Decker zündete die Zigarette des Rabbis, dann seine an. Beide inhalierten schweigend.
    »Nu, wie
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