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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Laura Lippman
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– noch dazu nach unordentlicher, unorganisierter Mutter – aussah, über den Boden schlitterte. Handy, Taschentücher, Portemonnaie, Wechselgeld, Scheckbuch, Lippenstift, Kamm. Deputy Walter ging auf die Knie, um alles einzusammeln. Auf diese instinktive Höflichkeit hatte sie gebaut.
    Im gleichen Moment ging sie zurück zu dem Gitter, über das Klebeband hinweg, bis sie dicht vor Walter stand. Sie waren beinahe auf Augenhöhe, er war überhaupt nicht gewachsen. Als sie den Arm hob, zuckte Walter zusammen. Sie genoss seinen unbehaglichen Blick und dass er nicht wusste, was sie tun würde. Aber sie schlug ihn nicht. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: »Ich weiß, dass du Angst hast, Walter. Dazu hast du jeden Grund. Es ist keine Schande, Angst vor dem Tod zu haben. Aber ich konnte Holly nicht retten, und ich kann auch dich nicht retten.«
    Er schluchzte, als sie ging. Zum Teil aus Enttäuschung, schätzte sie. Er hatte seine Energie darauf verwandt, sie zu finden, hatte sie dieses Mal behutsam umworben und war seinem Ziel so nahe gekommen. Vielleicht weinte er auch aus Angst, aus der überwältigenden Erkenntnis heraus, dass ihm kein Ausweg mehr blieb. Sie konnte seine Gefühle nachvollziehen, war in seinem Kopf, spürte den kalten Schlag von Angst und Enttäuschung. Sie kannte ihn in- und auswendig, ebenso gut wie ihren Mann und ihre Kinder. Walter war all die Leerstellen in ihr, das Gewebe, das die beiden Hälften ihres Lebens verband. Er war die Stadt, in der sie nie wieder leben konnte. Er war die Silbe, die ihrem Namen fehlte und doch immer ein Teil von ihr blieb, immer bei ihr war, wie sie sich auch nannte.
    Gott stehe ihr bei, sie würde ihn überall wiedererkennen.

Teil IX
    Everyday

    1985 von James Taylor veröffentlicht
    Erreichte nie die Billboard Hot 100
    Das Album stieg auf Platz 34 und hielt sich 54 Wochen lang unter den ersten 200

Jarratt, VA [ AP ] – Walter Michael Bowman wurde Dienstagnacht in der Justizvollzugsanstalt Greenville durch die Todesspritze hingerichtet. Als Zeugen waren die Eltern seines letzten Opfers anwesend, eines dreizehnjährigen Mädchens, das Bowman 1985 entführte, ausraubte und zu vergewaltigen versuchte.
    »Wir haben lange auf diesen Tag gewartet, jetzt wurde der Gerechtigkeit endlich Genüge getan«, erklärte Dr. Terrence Tackett jr., Vater von Holly Tackett, bei einem kurzen Auftritt vor Reportern mit seiner Frau Trudy an seiner Seite.
    Bowman, der länger als jeder andere Insasse in der jüngeren Justizgeschichte in Virginia in einer Todeszelle inhaftiert war, verzichtete auf eine Stellungnahme und bat darum, keine Angaben über seine letzte Mahlzeit zu machen. In den Stunden vor seiner Hinrichtung befugte er jedoch eine Freundin, posthum eine Presseerklärung zu veröffentlichen …

Kapitel 46
    Zwei Wochen vor Weihnachten staunte Eliza auf einem abendlichen Spaziergang mit Reba über das unnatürlich warme Wetter. Ernsthaftere Menschen, Vonnie oder sogar Peter, würden fünfzehn Grad Mitte Dezember vielleicht für bedenklich halten, aber sie freute sich einfach darüber, besonders an einem so wolkenfreien Abend, an dem trotz des Streulichts aus Bethesda die Sterne funkelten.
    Es war so angenehm, dass sie länger lief als geplant und sich dabei kluge Kommentare für den Leseclub in ihrem Viertel überlegte, dem sie sich angeschlossen hatte. Die Gruppe war etwas sonderbar, sie bestand vor allem aus älteren Leuten, meist ehemaligen Regierungsangestellten, und nur einer anderen Mutter. Eliza hatte sie durch ihren alleinstehenden Nachbarn gefunden, der so nett war, ihre Zeitung hereinzuholen, wenn sie wegfuhren. In der Gruppe wurden Klassiker gelesen, sagte der Nachbar fast wie eine Warnung, und es wurde zwar Wein getrunken, aber die Diskussion konzentrierte sich auf das Thema. Kein Klatsch, kein Plaudern, kein Wettbewerb bei den Häppchen. Eliza fand das nicht abschreckend. Für den Januar lasen sie Die Mühle am Fluss , und Eliza wollte sich beweisen; man sollte sie für klug halten. Hatte Vonnie nicht viel von Eliot gelesen? Vielleicht sollte sie ihre Schwester mal anrufen und …
    So gedankenverloren bemerkte sie nicht, wie sich Barbara LaFortunys buckliger Wagen von hinten näherte. Reba allerdings entging es nicht, sie stemmte die Beine auf den Boden und bellte einmal leise, aber deutlich, als der Wagen anhielt.
    »Schon gut, Mädchen.«
    Barbara fuhr ihr Fenster herunter. Im dunklen Wageninneren war sie schwer auszumachen, während Eliza gut
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