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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive
Autoren: Joachim Masannek
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Welt. Dann flankte er schon halbhoch nach innen, und dort tauchte der Mittelstürmer, die 13, am Sechzehner auf.
    Drei unserer Abwehrspieler stürzten sich ihm entgegen. Leon, der Slalomdribbler, wie er sich nannte, hatte gegen die nicht den Hauch einer Chance. Doch das Schlitzohr dachte gar nicht ans Dribbeln. Er nahm den Ball gar nicht erst an. Beim Aufticken der halbhohen Flanke schob er seinen rechten Fuß blitzschnell unter die Kugel und lupfte sie hoch.
    Sprachlos wirbelten unsere Abwehrspieler herum, reckten ihre Köpfe zum Himmel empor und folgten – wie unser Trainer – der Flugbahn des Leders, das sich jetzt in Zeitlupe auf den Elfmeterpunkt senkte, direkt auf den Wilden Kerl , der dort bereits stand. Kupferhäutig und mit pechschwarzen Locken hob der Junge vom Rasen ab, und während er die Kugel mit einem Fallrückziehersalto unter die Querlatte drosch, zeigte er uns seinen Rücken: Die 19 war er, Rocce, der Zauberer, Sohn von Giacomo Ribaldo, dem brasilianischen Fußballgott bei den Bayern .

    Das Null zu zwei schoss die Nummer 7, Felix, der Wirbelwind. Und als der nicht mehr konnte, weil sein Asthma ihm die Lunge fast zerriss, kam Jojo für ihn, Jojo, der mit der Sonne tanzt, die Nummer 12.
    Jojo tanzte auf links, und obwohl er keine Fußballschuhe besaß, tanzte er in seinen mit Pflastern und Schnüren geflickten Sandalen durch unsere Reihen hindurch, spielte einen doppelten Doppelpass mit Leon, ließ unsere Abwehr wie Tattergreise aussehen und schoss den Ball, als er nur noch einen Gegenspieler zu überwinden hatte, urplötzlich wieder zurück und der Nummer 11 direkt vor die Füße. Maxi „Tippkick“ stand auf seinem Trikot, und was das heißen sollte, wurde mir im nächsten Augenblick demonstriert.
    Ich rannte direkt auf ihn zu. Der würde nie zum Schuss kommen! Das schwor ich mir und grätschte in seinen Lauf. Der Ball war so sicher wie aus. Doch Maxi schlug einen Haken. Blitzschnell und schnörkellos drehte er sich nach rechts. Ich sah noch sein berühmtes, lautloses, grinsendes Lächeln. Dann zog er ab.
    WUUUHHMM!
    Wie eine Kanonenkugel schoss das Leder auf unser Tor zu. Der Keeper ballte die Fäuste und warf sich gegen den Schuss.
    WUUUHHMM!, donnerte es ein zweites Mal über den Platz. Unser Torwart erbebte mitten im Sprung, und die Kanonenkugel riss ihn ins Netz.
    Das Null zu drei ließ selbst unseren Trainer verstummen. Böckmanns Haarkranz stand elektrisiert vom Kopf ab, und seine Glatze glühte wie Lava im Krater eines Vulkans. Ich musste was tun! Unbedingt musste ich das! Sonst würden wir alle unter dieser Lava erstickt! Deshalb rannte ich los, holte den Ball aus dem Netz, sprintete mit ihm zum Anstoßkreis und schrie gegen die Wilden Fußballkerle über den Platz.
    „Verzieht euch endlich in eu-ha-re Hälfte! Ich will weiterspielen! Ha-Habt ihr gehört?“
    Doch die Wilden Kerle standen auf ihren Posten. Es waren meine Mannschaftskameraden, die sich Zeit ließen. Mit hängenden Köpfen trabten sie über das Feld. Ihre Füße klebten fest wie auf türkischem Honig. Dreibeiniger Ochsenfrosch! War das peinlich! Doch ich sagte kein Wort. Jedes Wort hätte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Deshalb wartete ich. Ich wartete eine Ewigkeit, bis der Rechtsaußen endlich neben mir stand. Erst dann zischte ich: „So! Jetzt sind wir dran! Ist das kla-har?“
    Er schaute mich an, als redete ich chinesisch, und als der Schiedsrichter pfiff, rührte er sich immer noch nicht.
    „Berühr doch endlich den Ba-ha-hall!“, fluchte ich, und als er das schließlich tat, rannte ich mit dem Leder davon. Den Blick auf meine Füße gerichtet, schoss ich wie auf Schienen nach vorn. Geradeaus, ohne Umweg, direkt auf das Tor der Nachtschwarzen zu. Aus den Augenwinkeln sah ich Schatten vorbeihuschen. Leon, der Slalomdribbler, Marlon, die Nummer 10, und Juli „Huckleberry“ Fort Knox rutschten gleich viermal unter meinen Füßen hindurch. Sie rutschten und grätschten alle ins Leere, und dann zog ich ab. Ich, und nicht Maxi „Tippkick“ Maximilian, der Mann mit dem härtesten Schuss auf der Welt. Und ich schoss das Leder auch nicht direkt auf den Mann. Ich schoss mit dem Außenriss, halbhoch, und so sehr sich Markus, der Unbezwingbare, auch reckte und streckte: Der Ball drehte sich weiter und weiter nach rechts, streifte den Innenpfosten und sackte ins Netz.

    „Dong-Sumpf!“, machte es und nicht „WUUUHM!“ wie bei Maxi. Aber das Resultat war dasselbe.

    „Ich kann es nicht glauben! Habt ihr es
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