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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive
Autoren: Joachim Masannek
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zwei Stürmer fest, erkämpfte das Leder und passte es Leon nach vorn. Der verlängerte volley und rückwärtslaufend auf Rocce nach links. Dann packte der Sohn des brasilianischen Fußballprofis seine Zaubertrickkiste aus. Er war nicht zu halten, lief direkt auf das Tor der Spielvereinigung zu und trieb den Ball hart nach rechts in den Raum. Dort lauerte ich, von zwei Gegnern bewacht. Doch ich kam ans Leder heran und stoppte es mitten im Lauf. Meine Bewacher merkten das nicht und rannten an mir vorbei. Erst im Toraus begriffen sie meine Finte, und erschrocken drehten sie sich um. Der Ball lag mutterseelenallein vor dem Tor, und der Keeper des Gegners lief schon auf ihn zu. Da kam Marlon, die Nummer 10. Als hätte er eine Tarnkappe auf, tauchte er aus dem Nichts auf und schlenzte den Ball unhaltbar ins Netz.
    Null zu eins! Das lief wie am Schnürchen. Doch die Spielvereinigung Unterhaching gab deshalb nicht auf. Nein, ganz im Gegenteil! Sie blies zum Sturm auf unser Tor, und nur mit größter Mühe und weil Markus, der Unbezwingbare, selbst die unhaltbarsten Bälle erwischte, retteten wir unseren Vorsprung in die Pause hinein.
    Doch die war zu kurz. Der Gegner, der ein Jahr älter und zwei Köpfe größer war als wir selbst, forderte seinen Tribut. In der zweiten Hälfte verließen uns unsere Kräfte. Egal, wen Willi auch brachte, ob Vanessa, Jojo, Felix, Fabi, Raban oder auch Joschka. Der Gegner war einfach zu schnell, und schon nach 15 von 25 Minuten der zweiten Halbzeit lag Haching mit Zwei zu eins vorn.
    Es dauerte bis fünf Minuten vor Schluss. Da erkämpfte sich Leon die erste Chance nach der Pause. Er dribbelte sich durch drei Bewacher hindurch. Jetzt konnte er schießen und: dreibeiniger Ochsenfrosch! Nein! Er wurde gefoult. Willi sprang auf, doch der Schiedsrichter hatte es richtig gesehen und gab den Strafstoß für uns. Den übernahm natürlich Vanessa. Doch was machte sie denn? Sie schoss vorbei.
    Jetzt war es still. Wir hatten verloren. Die Herbstmeisterschaft war verspielt. Da brachte mich Willi für Rocce. Der konnte nicht mehr, und ich trieb die anderen an. In der eigenen Hälfte fing ich einen Fehlpass der Hachinger ab und hob den Ball steil nach vorn. Dort lauerte Fabi. Er nahm ihn mit dem Kopf an und lenkte ihn weiter auf Leon. Der hatte noch nicht einmal einen halben Quadratmeter Platz, so wurde er von seinen Gegnern bewacht. Trotzdem kam er irgendwie an den Ball, drehte sich um sich herum, wurde niedergerissen und schob die Kugel, wie einst Gerd Müller, noch im Fallen ins Tor.
    Zwei zu zwei und noch eine Minute. Wir konnten es packen, das wusste ich. Und als der Gegner den Anstoß spielte, rannte ich sofort auf ihn zu. Ich lief in den Pass, bekam den Ball unter Kontrolle und stürmte auf das Tor der Hachinger zu. Doch ich war allein, und um mich herum schien es nur noch Gegner zu geben. Verflixt! Wo steckten Leon und Fabi? Warum kamen Marlon und Maxi nicht mit mir mit?
    Doch die konnten nicht mehr. Sie blieben zurück, und schließlich konnte ich nichts anderes tun, als wie in der Zeit vor meiner Brille, auf meine Füße zu schauen. So kämpfte ich mich durch meine Gegner hindurch, als liefe ich unaufhaltbar wie eine Lokomotive auf Schienen. Und erst, als ich mit dem Ball ins Netz fiel, bemerkte ich, wo ich überhaupt war.

    Doch jetzt war alles egal. Wir hatten gewonnen, und noch bevor ich mich aus den Maschen des Netzes befreite, warfen sich meine Freunde auf mich.
    Wir hatten es wirklich geschafft und wenn wir jetzt den letzten Gegner, der uns noch blieb, den TSV Turnerkreis schlagen würden, konnten wir Herbstmeister werden! Deshalb bat ich Willi auf dem Heimweg den Kleinbus auf der Hügelkuppe zu stoppen, die vor unserem Stadion lag. Ich bat alle Wilden Kerle nach draußen, und wir stellten uns Arm in Arm auf. Wir standen wie eine mächtige, nachtschwarze Wand und steckten unsere Köpfe in den Nachmittagswind. Dann schlossen wir unsere Augen, und jeder wünschte sich was. Jeder für sich und ganz leise. Und trotzdem, das weiß ich, und dafür leg ich meine neue Brille ins Feuer, wünschten wir uns alle dasselbe.

Rosa und breit
    Nach dem Spiel gegen Unterhaching begann eine rosa Zeit. So hätte sie jedenfalls Oma Schrecklich genannt, Vanessas Oma meine ich, doch für mich war diese Zeit eindeutig zu rosa.
    Die Herbstferien hatten begonnen und ließen uns bis zum letzten entscheidenden Spiel zwei Wochen Zeit. Zwei Wochen, die wir von morgens bis abends in unserem Stadion zubrachten. Von
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