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Den Tod im Griffl - Numbers 3

Den Tod im Griffl - Numbers 3

Titel: Den Tod im Griffl - Numbers 3
Autoren: Rachel Ward
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verübeln, dass sie Angst hat. Ich habe den größten Teil meines Lebens Angst gehabt, seitdem ich wusste, was die Zahlen bedeuten. Ich war erst fünf. Das ist eine lange Zeit.
    Sie hat Angst um Mia, genau wie ich. Aber ich habe auch Angst vor Mia. Es tut mir leid, doch so ist es.
    Es ist falsch, ich weiß. Sie ist wunderschön – mit ihren blauen Augen, dem blonden Haar, der braunen Haut vom Leben draußen. Ein Goldkind. Überall, wo wir hinkommen, schauen die Leute sie an – nachdem sie erst mich gemustert haben. Und natürlich ist es nicht ihr Aussehen, das mich wahnsinnig macht, sondern ihre Zahl. Sie hat nicht die Zahl, mit der sie geboren wurde. Jedes Mal, wenn ich sie ansehe, habe ich dieses gruselige Gefühl. Ihre Zahl flimmert irgendwie in meinem Kopf, so als ob sie nicht wirklich da ist. Sie erinnert mich immer an Oma und an den schrecklichen Tag im Feuer, zu Beginn der großen Katastrophe.
    Oma sollte nicht an jenem Tag sterben. Sie hatte noch siebenundzwanzig Jahre zu leben. Ich war immer davon ausgegangen, dass sie für mich da sein würde, dass ich mich auf sie verlassen könnte. Ich hatte gedacht, sie wäre in Sicherheit. Aber das war sie nicht. Im einen Moment da, im nächsten fort. Ich kann bis heute nicht daran denken, ohne einen Kloß im Hals zu spüren. Es ist nicht fair. Nichts daran ist fair. Ich wollte nicht, dass Mia starb, also lief ich ins Feuer, um sie zu retten. Aber ich wollte doch auch nicht, dass Oma starb. Ich kann es nicht verhindern, mich immer wieder zu fragen: Hat Mia Oma die Zahl gestohlen? War es Mord? Oder hat Oma ihr die Zahl überlassen?
    Niemand weiß, was passiert ist. Es ist unser Geheimnis – das Geheimnis von Sarah und mir – und ich denke, so sollte es auch für immer bleiben.
    Und dieses Gefühl wegen Mia – nicht mal Sarah habe ich je davon erzählt. Aber was in der Nacht des Feuers geschah, war nicht in Ordnung.
    Es war nicht normal.
    Ich kenne die Regeln nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wie alles funktioniert. Wenn Mia Dinge verändern kann, um ihr Leben zu retten, muss dann ein anderer Mensch den Preis dafür bezahlen?
    Am Abend versammeln wir uns wieder um Daniels Feuer.
    Diesmal gibt es Kanincheneintopf. Das heiße Essen wirkt wie ein Rausch, es wärmt und benebelt mich. Marty und Luke haben die Kaninchen gefangen – sie sind ganz stolz, das sehe ich. Sie schubsen sich, lachen und scherzen. Jemand fängt an zu singen. Es ist ein altes Lied.
    Mia starrt ins Feuer. Die Flammen werfen ein rosiges Licht auf ihr Gesicht. Sie wirkt mehr denn je wie ein Engel. Es scheint ihr besser zu gehen. Daniels Paracetamol hat gewirkt. Aber was wird nächstes Mal sein? Sarah hat Recht – wir brauchen Menschen.
    Ich lege den Arm um Sarah und lasse die Hand auf ihrem Bauch ruhen. Unter meinen Fingern kann ich spüren, wie sich das Baby bewegt. Sarah beugt sich zu mir. Ich küsse sie auf den Kopf, schließe die Augen, atme ein und höre dem Gesang zu. Einen Moment lang, nur für den Bruchteil einer Sekunde, bin ich glücklich. Es war richtig, dass wir geblieben sind.
    Der Lärm der Motoren ist anfangs so leise, dass ich ihn kaum wahrnehme. Er wirkt wie ein Teil des Gesangs, doch dann, als er stärker wird, hören es alle gleichzeitig und der Gesang bricht ab.
    Das Licht der Flammen flackert auf unseren schweigenden Gesichtern. Dann merke ich, dass mich alle ansehen.
    »Sie sind wieder da«, sagt Daniel. Er muss nicht sagen, wer.
    Drei Männer auf Motorrädern. Leute, denen man besser nichts verrät.
    Ich springe auf, packe die Hände der Jungs.
    »Kommt schon«, sage ich. »Lasst uns verschwinden. Sofort.«
    Marty und Luke schauen zu Sarah. Sie hebt den Arm und fasst nach meinem Handgelenk, um mich zurückzuhalten.
    »Adam …«
    Es hat keinen Sinn. Ich weiß das, aber ich muss etwas tun.
    »Bitte«, sage ich.
    Sie sieht den Ausdruck auf meinem Gesicht und versucht mit Mia im Arm aufzustehen.
    »Bleib hier, Adam. Wir sind für dich da«, sagt Daniel. Er sieht sich im Kreis um und alle nicken zustimmend. Er spricht für die ganze Gruppe. Aber ich kann nicht still dasitzen. Ich kann es einfach nicht.
    Wir stolpern vom Feuer weg, suchen unseren Weg zwischen den Zelten und Hütten hindurch und dann raus in den dunklen Wald, wo wir uns zusammendrängen, mit Blick auf das Lager. Von hier aus können wir alles sehen, aber niemand sieht uns. Der Motorradlärm hat aufgehört, doch jetzt tanzen drei Lichtpunkte auf das Feuer zu. Wenig später erkenne ich auch die dazugehörigen
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